Peter Pankow sucht das kreative Leben
Urgestein Dominik Bender inszeniert gemeinsam mit dem Thikwa-Ensemble tragisches und zugleich komisches Theater
Krachend laut setzt die Musik ein. So laut, dass sich die beiden Männer, die sich da auf der Bühne des Theaters Thikwa gegenüber sitzen, nur mit Handzeichen verständigen können. Rechts Regisseur Dominik Bender, ein Urgestein der freien Theaterszene, links der Thikwa-Schauspieler und Künstler Peter Pankow. Nur um ihn, um seine Auseinandersetzung mit sich selbst und sein Versuch, ein kreatives Leben zu führen, geht es in der Inszenierung »Protokoll Pankow«.
Schon mehrfach hat Dominik Bender vom »Theater zum Westlichen Stadthirschen« mit dem Thikwa-Ensemble zusammengearbeitet, hat während und nach den Proben Interviews mit den Darstellern geführt. Die gelten zwar als geistig, physisch oder psychisch behindert - doch das Thikwa-Motto heißt nicht umsonst: »Der Geist lässt sich nicht behindern.«
Stimmt das? Jein, möchte man meinen, wenn man den dahin fließenden Gedanken von Peter Pankow folgt, der den Zuschauer mit seinem oft schwierigen Leben konfrontiert. Es geht um sein Verhältnis zur Schauspielerei, zur Kunst, zu den Kollegen, und auch um praktische Problemen: Frust auf dem Sozialamt, mit Frauen und Sex - ein Thema, mit dem sich der massige Mann mit der sensiblen Seele schwer tut. »Du kannst nur auf der Bühne glücklich sein, dein Privatleben ist der reinste Albtraum!«, heißt es einmal, und »Mein Kopf ist so schwer, wir denken alle soviel nach.« Um einen reinen Monolog zu vermeiden, hat Regisseur Bender für sein Porträt-Experiment den Text aufgeteilt; einen Teil spricht er, einen Teil Pankow selbst, dazwischen gibt es Interviewszenen, Assoziationsspiele, kurze Tanzeinlagen. Und immer wieder Puppen: Aus einer großen Holzkisten mit offenbar unerschöpflichem Inhalt zieht Pankow immer wieder neue Holzpuppen, die er geschnitzt hat, stellt sie vor und ordnet sie ein in Gut und Böse - Personal einer Märchenwelt, mit der sich der Darsteller schützt vor der oft schmerzlichen Realität.
Pankows Gedanken plätschern dahin, vieles bleibt rätselhaft oder ist nur von Eingeweihten nachzuvollziehen. Doch seine natürliche, unverstellte Art berührt ebenso wie der ehrliche Versuch Pankows, sich über seine Kunst - neben dem Theater malt er mit viel Talent und fertigt Objekte - mitzuteilen. Die Grenzen zerfließen, die Person Pankow und die Bühnenfigur sind eins; zumal Pankow, seit er letztes Jahr mit Anne Tismer zusammenarbeitete, die Rolle des Schauspielers grundsätzlich in Frage stellt. Gerne hätte man mehr von diesem Zwiespalt erfahren, doch dazu bleiben die Aussagen dann doch zu vage. Andererseits bricht das Duo Bender/Pankow die eiserne Regel des Theaters Thikwa, nichts über die Handicaps der einzelnen Darsteller zu verraten, und so erfahren selbst langjährige Thikwa-Begleiter erstmals, dass der schwergewichtige Darsteller seine Behinderung einem Verkehrsunfall in früher Kindheit verdankt. Insgesamt schält sich das Porträt eines starken und kreativen Menschen heraus, der zwar mit sich und seinem Schicksal hadert, aber doch bei sich angekommen ist. Wie das auf der Bühne gezeigt wird, ist mal tragisch, mal komisch - und oft beides.
Wieder 8.-12.2., 20 Uhr, F40-Studio, Fidicinstr. 40, Kreuzberg; Karten unter 01805-70 07 33
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