Das Salz in der Atomsuppe

Die Tauglichkeit des Standortes Gorleben ist auch der Knackpunkt bei der neuen Suche nach einem Endlager

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit dem vergangenen Herbst berät eine Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern über das Vorgehen bei der Suche nach einem Endlager für den hochradioaktiven Atommüll. Heute gibt es ein weiteres Treffen im Bundesumweltministerium. Streit ist dabei programmiert.

Im Januar legte das Umweltministerium einen Entwurf für ein Endlagersuchgesetz vor. Ein Kernpunkt ist die Gründung einer neuen Bundesbehörde. Eine Ethikkommission soll den Prozess begleiten. Konkrete Aussagen zur Zukunft des Standortes Gorleben werden zunächst nicht getroffen.

Der Entwurf sei allerseits auf große Zustimmung gestoßen, heißt es aus Koalitionskreisen. Es bestünden gute Chancen, das Gesetz gemeinsam mit den Ländern zu erarbeiten. Doch das stimmt nicht. Denn unter den Beteiligten gibt es heftigen Streit, ein Konsens scheint deshalb weit entfernt. Die Anti-Atom-Bewegung, die nicht mit am Tisch sitzt, bezeichnete das Gesetz gestern als »erneuten Anlauf zum Scheitern.«

Das anderthalbseitige Protokoll der bislang letzten Sitzung vermittelt den Eindruck, als sei das Gesetz bereits in trockenenden Tüchern. »Grundsätzliche Zustimmung zu dem von Bundesumweltministerium (BMU) vorgelegten ersten Entwurf und die darin vorgeschlagene Vorgehensweise«, heißt es in der Überschrift. Alle Teilnehmer seien sich darin einig gewesen, dass die neue Endlager-Behörde mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden solle.

Eine von der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) gezeichnete Stellungnahme der rot-grün-regierten Länder weckt jedoch Zweifel an einem Konsens. Das Protokoll wurde demnach mit »einigem Befremden« zur Kenntnis genommen. Tatsächlich bleibe der Gesetzentwurf »alten Denkstrukturen« verhaftet. Der Vorschlag, die neue Behörde solle die Prüfkriterien für die Endlagersuche festlegen, habe »überrascht und widerspricht dem Geist der im Eckpunktepapier getroffenen Vereinbarung, größtmögliche demokratische Legitimation herzustellen«. Die Vorschläge zur Öffentlichkeitsbeteiligung, so die rot-grüne Stellungnahme, seien »wenig inspiriert«. »Verwunderlich« sei zudem, »dass Ihr Gesetzentwurf das Thema Salzstock Gorleben faktisch ausklammert«.

Auch bei der SPD-Bundestagsfraktion stößt der Entwurf auf Ablehnung. Mit dem Vorschlag, die Standortsuche durch das neue Bundesinstitut zu koordinieren, solle das »zu kritische Bundesamt für Strahlenschutz mundtot gemacht« werden, sagt der Umweltexperte der Fraktion, Matthias Miersch. Auch eine Ethikkommission sei überflüssig. »Wir brauchen kein neues Alibi-Gremium, das niemandem Rechenschaft schuldig ist, wir brauchen endlich ein offenes, bürgernahes und transparentes Verfahren«, so Miersch.

Selbst Niedersachsens neuer Umweltminister Stefan Birkner fordert Nachbesserungen. Der FDP-Politiker kritisiert den Entwurf als nicht bürgernah genug. Anwohner müssten stärker in das Verfahren einbezogen werden und die Möglichkeiten bekommen, eigene Gutachter zu beauftragen. Für den Gorlebener Salzstock stellt Birkner ab September ein weiteres Moratorium in Aussicht. Die Erkundung soll erst dann weitergehen, wenn auch mindestens ein weiterer Standort parallel untertägig untersucht wird.

Für die Atomkraftgegner in den Initiativen ist ein Neustart der Endlagersuche mit Gorleben im Pool ohnehin eine »Farce«. »Eine angeblich weiße Landkarte mit einem dicken schwarzen Kreuz in Gorleben ist zudem ein Widerspruch in sich«, merkt die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg an.

Auch Greenpeace dringt auf einen Ausschluss des Salzstocks Gorleben aus der Endlagersuche. »Solange Gorleben im Verfahren ist, bleibt der angebliche Neustart der Bundesregierung in der Endlagersuche reines Wunschdenken«, sagte der Atomexperte der Organisation, Tobias Riedl, gestern in Berlin. In einem Kurzgutachten für die Umweltorganisation bezeichnet es der Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit als juristisch machbar, Gorleben als Standort von vornherein auszuschließen. Als Gründe führte Wollenteit an, dass Gorleben in einem Auswahlverfahren der einzige Standort wäre, »der durch zahlreiche Vorfestlegungen belastet ist«. Der Standort leide »an einem schwerwiegenden Geburtsfehler« und sei somit verbrannt. Es habe sich zudem gezeigt, dass die Sicherheitskriterien immer wieder an die Erkenntnisse in Gorleben angepasst worden seien.

Peter Dickel von der atomkraftkritischen Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad beurteilt gleich das gesamte Gesetz als Mogelpackung. »Das ist alter Wein in alten Schläuchen, nur frisch etikettiert«, sagte er gestern in Hannover. Es handele sich um eine lediglich technokratische Neuorganisation, die strittige Grundfragen ignoriere und den Betroffenen nicht die Möglichkeit biete, entscheidungsrelevant zu handeln. Heute wollen Atomkraftgegner bei einer Kundgebung vor dem Umweltministerium ihre Positionen klar machen.

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