Verneigung vor den Vergessenen
Eine Ausstellung am Holocaust-Mahnmal ehrt mit Lesungen »Von den Nazis verfemte Schriftsteller«
»Warum seid ihr so spät gekommen?« Die Worte Armin T. Wegners, die lange Jahre nach dem Krieg zu seinen »Wiederentdeckern« sprach, drücken die ganze Tragik aus, die der ignorante Umgang der Bundesrepublik mit »ihren« Exil-Schriftstellern verursachte. Wegner freilich ist ein extremes Beispiel, schließlich war der expressionistische Lyriker auf dem ersten deutschen Schriftstellerkongress 1947 gar fälschlich für tot erklärt worden. Was aber der Selbstsicht Wegners durchaus entsprach. »Auswandern ist wie sterben«, klagte er, der bereits 1933 einen Protestbrief an Adolf Hitler schrieb, vor dem Exil. Jenen wie Wegner von den Nazis verjagten und verbrannten Dichtern widmet der Ausstellungspavillon am Holocaust-Mahnmal eine Ausstellung mit Rahmenprogramm.
Ohne die Vorarbeit Jürgen Serkes in seinem Buch »Verbrannte Dichter« wäre auch diese Exposition schwer vorstellbar. Denn bis zum Erscheinen 1978 konnte man Joseph Goebbels durchaus den schrecklichen »Erfolg« zusprechen, durch Zensur und Bücherverbrennung viele deutsche Dichter tatsächlich aus dem kollektiven Gedächtnis der BRD getilgt zu haben. Im Gegensatz zur DDR, die »ihre« von den Nazis verfolgten Autoren gerne als Galionsfiguren und zur Selbstbestätigung ehrte und auch nutzte.
Serke aber spürte viele jener Verdrängten wieder auf, brachte ihren meist dramatischen Werdegang ans Licht und löste so eine Welle des Interesses an den Vergessenen aus. Unglaublich aber war: Erst 1980 hat der deutsche P.E.N.-Club wieder Exil-Literaten eingeladen, um die selbe Zeit begann auch die Literaturwissenschaft, sich jener Gruppe anzunehmen.
So löblich das Ansinnen: Etwas irritierend an der Ausstellung ist, dass viele der 20 exemplarisch ausgewählten Autoren gerade nicht zu den Vergessenen gehören: Tucholsky, Döblin, Kisch, Zweig, Seghers, Ringelnatz oder Klaus und Heinrich Mann mussten sich um die Erinnerung ihrer Werke kaum Sorgen machen. Alle Dichter werden mit knappem Text und, wo vorhanden, Audiozeitzeugnissen vorgestellt.
Interessant wird es aber vor allem bei den mittlerweile »verschwundenen« Stars ihrer Zeit wie dem erwähnten Wegner oder auch Irmgard Keun. Sie, die 1932 den Welterfog »Das kunstseidene Mädchen« schuf, stöberte Serke 1975 in ihrer Bonner Stammkneipe auf, durfte sie (mittlerweile Alkoholikerin) nur interviewen, wenn er mittrinkt. Keun kam dann doch noch zu späten Ehren, wurde von den Feministinnen vereinnahmt und erhielt Preise.
Umrahmt ist die Schau mit einer Reihe von Lesungen mit Prominenten Paten. Den Anfang macht am 16.2., 19 Uhr, Schauspielerin Katharina Lange, die Teile des »kunstseidenen Mädchens« von Keun szenisch darbieten wird. Im Anschluss debattiert Lea Rosh mit Tobias Rüther von der FAZ. Weiter geht es am 22. März, wenn Albert Ostermaier und Feridun Zaimoglu Briefe und Texte von Stefan Zweig und Joseph Roth lesen. Mit von der Partie sind ferner Iris Berben, Herta Müller und Daniel Kehlmann.
Der Gestalter der Schau, Jan Frontzen, hat recht, wenn er sagt, »das Leben dieser Dichter war nicht nur mutig, sondern auch hochspannend«. Und das trifft natürlich auch auf die hier vertretenen Literaturgiganten zu. Allein um B. Traven singen zu hören, lohnt der Besuch.
Bis Dezember, erste Lesung am 16.2., 19 Uhr, Ausstellungspavillon am Holocaust-Mahnmal, Cora-Berliner-Str. 2, Eintritt für Ausstellung frei, für Lesung 10 Euro
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