Abschiebestopp für Syrer

Brandenburg reagiert auf Lage im Heimatland

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.
Für syrische Flüchtlinge in Brandenburg gilt ab sofort für ein halbes Jahr ein Abschiebestopp. Damit reagiere das Land auf die Eskalation von Willkür und Gewalt in dem Nahoststaat, teilte das Innenministerium am Donnerstag in Potsdam mit.

Brandenburgs rot-rote Regierung erließ gestern einen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Syrien. Mit dem Erlass an die Ausländerbehörden reagierte Innenminister Dietmar Woidke (SPD) auf »die Eskalation von Willkür und Gewalt in dem Nahoststaat«. Abschiebungen verbieten sich aus humanitären Gründen, erklärte Woidke. »Wir können niemanden in ein Land zurückschicken, in dem die Regierung mit Panzern und Artillerie auf Zivilisten schießen lässt.«

In der Praxis wird schon seit zehn Monaten nicht mehr nach Syrien abgeschoben. Das hatte die Bundesregierung im April vergangenen Jahres den Ländern empfohlen. Allerdings war dies rechtlich nicht bindend. Der nun formal erlassene Abschiebestopp bietet den syrischen Flüchtlingen aber ein höheres Maß an Rechtssicherheit. Das ist psychologisch wichtig, kann ihnen aber darüber hinaus auch die Chance bieten, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen und arbeiten zu dürfen. Damit wird langfristig eine Integration ermöglicht.

Frist von sechs Monaten

Im vergangenen Jahr hatten 100 Syrer in Brandenburg um Asyl gebeten. Tendenz steigend. Sie wurden auf die Landkreise verteilt. 24 neue Asylsuchende leben derzeit in der Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt, oft in purer Angst vor dem syrischen Geheimdienst.

Nach Schleswig-Holstein ist Brandenburg das zweite Bundesland, das den Abschiebestopp verhängte und damit einer Forderung von Flüchtlingsorganisationen nachkam. Ein Bundesland kann für maximal sechs Monate im Alleingang einen Abschiebestopp in verfügen. Nach Ablauf dieser Frist müsste der Bund das tun. Das hätte dann zur Folge, dass die Betroffenen eine Aufenthaltserlaubnis bekommen und Sozialleistungen in Höhe des Hartz-IV-Satzes beziehen können. Die Sätze für Asylbewerber sind niedriger.

Berlins SPD/CDU-Senat verzichtet auf einen formalen Abschiebestopp nach Syrien. »Das wird in unserem Haus aus fachlicher Sicht nicht für notwendig gehalten«, erklärt eine Sprecherin der Innenverwaltung. Denn in Berlin werde seit April 2011 der Empfehlung des Bundes gefolgt, bis auf Weiteres nicht nach Syrien abzuschieben. Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte die Aussetzung der Abschiebungen nach Syrien im Abgeordnetenhaus bekräftigt. Damit hatten sich bisher alle Oppositionsparteien zufrieden gegeben. Der Brandenburger Vorstoß hat da möglicherweise ein Umdenken in Gang gesetzt. »Wir fordern, dass Berlin mit Brandenburg gleichzieht, und zwar sofort«, sagt Fabio Reinhardt von den Piraten.

SPD enthielt sich

LINKE und Grüne im Bundestag verlangen das schon länger. Im Januar haben sie einen formalen Abschiebestopp nach Syrien und ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht für syrische Flüchtlinge gefordert. Die SPD enthielt sich.

Der Berliner Flüchtlingsrat gibt sich mit dem derzeitigen Status nicht zufrieden. Sprecherin Martina Mauer sagt: »Wir fordern ein Abschiebestopp auch in Berlin nach Brandenburger Vorbild. Darüber hinaus sollen alle syrischen Flüchtlinge in Berlin ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten, denn es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Situation in Syrien in absehbarer Zeit verbessert. Außerdem fordern wir eine sofortige Aufkündigung des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens durch die Bundesregierung.«

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