Senat forciert Daten-Revolution
Informationen der Berliner Verwaltung sollen in Zukunft allen Bürgern offen stehen
Der Plan klingt simpel. Statt Informationen wie bisher zu horten, soll die Berliner Verwaltung künftig ihre Daten allen Bürger zur freien Verfügung stellen. Wie das in der Praxis aussehen könnte, ist bereits jetzt im Internet zu besichtigen - allerdings nur im Probebetrieb. Auf der Internetseite »Datenportal« werden Informationen aus der Verwaltung zur Verfügung gestellt. So konnten die Bürger beispielsweise im Dezember abrufen, welche Weihnachtsmärkte es in Berlin gab. Das für sich genommen scheint wenig spektakulär. Doch bei näherer Betrachtung bietet die Veröffentlichung so vieler Daten wie möglich dennoch enormes Potenzial, aber auch eine Vielzahl von Schwierigkeiten.
Von einer »Revolution der Verwaltung« schwärmt in diesem Zusammenhang sogar Berlins Wirtschafts- und Forschungsstaatssekretär Nicolas Zimmer. Die Wirtschaftsverwaltung hat die bereits vom alten Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) gestartete »Open Data«-Strategie weiter vorangebracht. Gemeinsam mit dem Institut Fraunhofer Fokus stellte der Senat gestern eine Studie vor, wie die Modernisierung der Verwaltung konkret umgesetzt werden könnte. Insgesamt 39 Handlungsempfehlungen für Politik und Verwaltung enthält die 180 Seiten starke Untersuchung. Der Kerngedanke: ein politisches Bekenntnis zur freien Datenverfügbarkeit.
Das klingt nach neuer politischer Kultur, nach Transparenz und Überprüfbarkeit von Politik durch die Bürger. All jene Aspekte also, die die Piratenpartei in den vergangenen Monaten so erfolgreich gemacht haben. Und die auch in Berlin bei Volksbegehren zu den Wasserbetrieben und der S-Bahn als Forderungen eine herausragende Rolle spielten. In einer Umfrage vom Sommer 2010 sprach sich eine riesige Mehrheit von 88 Prozent der Befragten für eine Veröffentlichung nicht personenbezogener Daten aus.
Doch welche Rahmenbedingungen soll die neue Informationsfreiheit haben, welche technischen und rechtlichen Dinge gilt es zu bedenken? Mit diesen Fragen haben sich die Forscher um die Projektleiterin Ina Schieferdecker und dem Institutsleiter bei Fraunhofer Radu Popescu-Zeletin intensiv auseinandergesetzt. Mit Hilfe eines Stufenplans soll demnach in den nächsten vier bis fünf Jahren die Grundvoraussetzung für die Daten-Revolution geschaffen werden. Zunächst gilt es jedoch eine Bestandsaufnahme zu machen, was an Informationen verfügbar ist. Danach müssten die Verwaltungsmitarbeiter für die Freigabe der Informationen in Umschulungen sensibilisiert werden. Zudem gilt es, technische Programme und Werkzeuge zu entwickeln, um die Daten verfügbar zu machen.
»Berlin ist ein Labor für Deutschland und Europa, was solche Lösungen angeht«, sagt Institutsleiter Popescu-Zeletin. Die Stadt befinde sich aus seiner Sicht in einer fantastischen Lage, weil hier verschiedene Regierungen: Bund, Land, Bezirke vor Ort sind. Die Stadt deshalb also weltweit eine Vorreiterrolle bei »Open Data« einnehmen könnte.
Dabei geht es jedoch nicht nur um Transparenz und Bürgernähe, sondern auch um knallharte wirtschaftliche Interessen: »Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts«, betont Nicolas Zimmer. Nach Berechnungen der EU-Kommission bieten die Daten der öffentlichen Verwaltungen in Europa ein wirtschaftliches Potenzial, aus der sich 170 Milliarden Euro scheffeln ließen. Ein Riesengeschäft, bei dem kreative Jungunternehmer etwa Programme für Mobilfunktelefone entwickeln sollen, die auf die Daten der Verwaltung zurückgreifen. Beispielsweise für einen Echtzeitfahrplan der BVG. Doch das ist Zukunftsmusik, zunächst muss der Senat die gesetzlichen Grundlagen schaffen - und das Datenportal in den Regelbetrieb überführen.
Was bedeutet Open Data?
Open Data ist ein Konzept, das zum Ziel hat, Daten öffentlich frei verfügbar und zur freien Verwendung nutzbar zu machen. Die Verwendung der Daten wird geregelt durch Creative Commons Lizenzen. Die von einer gemeinnützigen Organisation erstellten Standard-Lizenzverträge regeln, wie Nutzungsrechte eingeräumt werden.
Welche Daten werden verfügbar gemacht?
Bei diesen Daten handelt es sich um zum Beispiel um Statistiken, Geodaten, Verkehrsinformationen oder wissenschaftliche Publikationen.
Bespiel: Arbeitslosenzahlen, Exportzahlen, Umsätze nach Gewerbe
Ausgenommen hiervon sind alle personenbezogenen Daten wie Adressen und Geburtsdaten von Bürgern. Diese fallen unter den persönlichen Datenschutz und dürfen daher nicht öffentlich zugänglich gemacht werden.
Wie können die Daten verwendet werden?
Auf der Webseite des Datenportals daten.berlin.de lassen sich die Daten nach Kategorien oder nach Suchwort filtern. Die Anzeige des Datensatzes enthält Informationen zum Ersteller der Daten, die Gültigkeit der Daten und unter welcher Lizenz die Daten genutzt werden dürfen. Die Daten können in verschiedenen Dateiformaten wie zum Beispiel Excel heruntergeladen werden und sind so aufbereitet, dass sie problemlos für die Erstellung von Programmen weiterverarbeitet werden können.
Beispiele für die Weiterverarbeitung sind zum Beispiel die
Fluglärm-Karte der TAZ - eine Karte auf der Nutzer den prognostizierten Fluglärm durch den neuen Flughafen BBI für ihren Wohnort anzeigen lassen können
Wheelmap - eine Karte auf der man prüfen kann, ob ein Ort rollstuhlgerecht ist
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