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Gesucht: Partnerschaft
Zwischen der Russischen Föderation und der EU floriert der Handel, vielfältige Beziehungen in Forschung und Entwicklung, im Wissenschaftleraustausch ergänzen diese. Das ist auch natürlich, denn die EU will und kann nicht auf die russischen Rohstoffe verzichten und ebenso ungebrochen ist die Nachfrage aus dem russischen Markt nach europäischen Fertigprodukten, Dienstleistungen und Know-how, gerade auch weil viele Industriezweige sich nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch unter Jelzin und seinen neoliberalen Stichwortgebern noch nicht wieder erholt haben. Und ohne eine weitergehende Integration in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung wird dies auch künftig schwer bleiben - mit allen sich daraus ergebenden Folgerungen auch für Arbeitsplätze und sozial-wirtschaftlichen Aufschwung. Nicht von ungefähr führte der Kurs einer politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung der letzten Jahre zwangsläufig zur Frage nach strategischen Partnern bei der weiteren Modernisierung. Bei meinen jüngsten Gesprächen in Moskau betonten alle Gesprächspartner von der Regierung bis zur linken Opposition übereinstimmend: Russland wird den Weg der Modernisierung des Landes weiter gehen und auf diesem mit jedem verantwortungsbewusst kooperieren, der Augenhöhe und Interessenausgleich garantiert. Und genau hier scheint im Verhältnis zur EU das Problem zu liegen.
Sehr schnell war mit der »Partnerschaft für Modernisierung« eine gemeinsame Formel für die Weiterentwicklung der Beziehungen gefunden. Aber trotz fast vier Jahre dauernder Verhandlungen kommt deren Umsetzung nicht voran. Ein Grund dafür ist, dass nicht gemeinsame Interessen im Vordergrund der praktischen Politik stehen, sondern zuerst Vorleistungen und Bedingungen, zu denen auch die Unterordnung unter EU-Vorgaben gehört. Schaut man sich entsprechende EU-Dokumente an, so folgen sie immer dieser Logik. Auch in der Entschließung des Europäischen Parlaments zum jüngsten EU-Russland-Gipfel heißt es unverblümt, dass »die künftige Vertiefung der Beziehungen zwischen der EU und Russland davon abhängen wird, ob sich Russland um die Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bemüht«. Es ist richtig und wichtig, die mit der Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention eingegangene Selbstverpflichtung Russlands zur Demokratieentwicklung in Verhandlungen nachdrücklich anzusprechen. Auch darin stimmten die Gesprächspartner in Moskau überein. Sie verwiesen aber zugleich darauf, dass sich die Rolle eines Schulmeisters weit vor einer Partnerschaft erschöpft. Sehr deutlich gaben sie zu verstehen: Aus russischer Sicht strotzen Vertreter der EU in den Gesprächen mit Moskau vor Stärke, vergessen dabei aber, dass man in der russischen Gesellschaft sehr aufmerksam verfolgt, wie dieselben Vertreter die Probleme zu Hause nicht im Interesse der Bürger gelöst bekommen. Nur der Dialog ist ein geeignetes Mittel auch in dieser sensiblen Frage, denn konkret bleiben die Gesprächspartner Antworten auf die Fragen nach dem Wie, Was und Wann anstehender Veränderungen weitgehend schuldig.
Die Zeit für einen Richtungswechsel in der Russland-Politik der EU drängt; nicht zuletzt, weil die Herausforderungen wachsen, vor denen beide gemeinsam stehen. Vor allem muss endlich auch das Thema der gemeinsamen Sicherheit konstruktiv angegangen werden. Die Münchener Sicherheitskonferenz vor 14 Tagen hat erneut belegt, dass Moskau trotz aller Angebote auch in diesem Bereich offensichtlich immer noch als »Gegner aus dem Kalten Krieg« betrachtet wird. Es ist nicht zu verstehen, warum gemeinsame Sicherheit nicht gemeinsam aufgebaut wird. Das Fehlen einer Lösung hinsichtlich der US-Raketenabwehr in Europa kann zu einer schweren Belastungsprobe im europäisch-russischen Verhältnis werden und gefährdet akut die bisherigen Schritte bei Rüstungsbegrenzung und Abrüstung.
Bleiben die Beziehungen der EU zu Russland alten Denkmustern verhaftet, sollte es nicht wundern, wenn Russland als Konsequenz auch danach strebt, seine »europäische Abhängigkeit« zu lockern.
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