Schäuble packt ein

Sozialkürzungen sollen Schuldenbremse vorfristig möglich machen

  • Dieter Janke
  • Lesedauer: 3 Min.
Während die bundesdeutsche Öffentlichkeit derzeit auf den Rücktritt des Bundespräsidenten und dessen Folgen fixiert ist, plant Finanzminister Schäuble weitere soziale Einschnitte. Er möchte den für 2016 festgeschriebenen Start der sogenannten Schuldenbremse um zwei Jahre vorziehen.
Schäuble Sparpaket könnte es in sich haben.
Schäuble Sparpaket könnte es in sich haben.

Mit der im Grundgesetz verankerte »Schuldenbremse« - 2009 von der Föderalismuskommission beschlossen - soll die strukturelle jährliche Nettokreditaufnahme des Bundes auf maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zurückgefahren werden. Für die Länder wird die Nettokreditaufnahme ganz verboten.

Die Einhaltung der 0,35-Prozent-Grenze war bislang für den Bund ab 2016 zwingend vorgesehen, das Verbot der Nettokreditaufnahme der Länder soll ab 2020 in Kraft treten. Offenbar will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) diesen Zeitplan noch straffen. Er erinnerte an die Verpflichtung, das strukturelle Defizit des Bundes spätestens bis 2016 auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu reduzieren. Das entspricht derzeit einer Neuverschuldung von etwas weniger als 10 Milliarden Euro. »Das werden wir einhalten, wahrscheinlich schon vor 2016«, sagte Schäuble Ende vergangener Woche gegenüber der Presse.

Das Finanzministerium bestätigte inzwischen das Ziel einer früheren Absenkung der Neuverschuldung, nicht aber weitere Details. Offiziell wurde dazu lediglich mitgeteilt, es könnte »durchaus anstrebenswert sein«, die Ziele der Schuldenbremse früher als geplant zu erfüllen. Derzeit stehe aber die Vorbereitung des Haushalts für 2013 im Vordergrund, dessen Eckpunkte voraussichtlich am 21. März vom Kabinett beschlossen werden sollen. »Daran arbeiten wir hart«, so Ministeriumssprecher Martin Kotthaus.

Einem Bericht des »Spiegel« zufolge strebt Schäuble für 2013 lediglich eine Nettokreditaufnahme von 15 Milliarden Euro an. Um jene Ziele zu erreichen, wolle der Minister im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen ein Sparpaket im Volumen von knapp zehn Milliarden Euro auflegen. Berichte über ein Zehn-Milliarden-Euro-Sparpaket wurden vom Schäuble-Ministerium jedoch dementiert. Laut Pressemeldungen will der Bundesfinanzminister den Bundeszuschuss für den Gesundheitsfonds dauerhaft um zwei Milliarden Euro kürzen. In der gleichen Höhe sollen zudem Einsparungen beim Bundeszuschuss zur Rentenversicherung vorgenommen werden. Einige hundert Millionen Euro will Schäuble offenbar auch bei der Arbeitslosenversicherung einsparen. Darüber hinaus will er das Elterngeld deckeln. Damit soll das strukturelle Defizit des Bundes bereits 2014 auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gesenkt werden. Unterstützung dafür signalisiert der liberale Koalitionspartner. So erklärte der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke, seine Partei begrüße jeden schnelleren Schritt hin zu einer »schwarzen Null«. Er hoffe, dass Finanzminister Schäuble seine Pläne auch mit den Sozialpolitikern von CDU/CSU abgesprochen habe. Auch FDP-Chef Philipp Rösler will den Kurs mittragen. Im Konflikt um die Kürzung des Zuschusses für die gesetzliche Krankenversicherung habe er sich an die Seite Schäubles gestellt. Mit Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sei er sich einig, dass auch das Gesundheitsministerium davon nicht ausgenommen werde, fügte er hinzu. Bahr, Gesundheitspolitiker und die Krankenkassen hatten sich bislang strikt gegen eine Kürzung des Bundeszuschusses ausgesprochen.

Während die Schuldenbremse in der SPD umstritten ist und man deshalb u. a. in Sachsen eine Mitgliederbefragung durchführen will, wird sie von alternativen Ökonomen wie Gustav Horn und Peter Bofinger als gefährlich für die gesamtwirtschaftliche Stabilität abgelehnt. Substanzielle Kritik kommt auch von den Gewerkschaften und der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Schuldenbremsen, so deren Wirtschaftspolitische Sprecherin Sarah Wagenknecht, dienten vor allem als Vorwand für Sozialkürzungen.

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