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Balance

Uwe Kolbe / Der Schriftsteller erhält den Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste Berlin

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn Gedichtbände »Hineingeboren«, »Bornholm II«, »Abschiede« heißen, ein Essayband »Renegatentermine« bündelt, ein anderer »Vinetas Archive« betitelt ist und der Autor ein in der DDR Lebender war, so wird da unmissverständlich ein Versäumnisgefühl angezeigt. Uwe Kolbe wurde 1957 in Berlin geboren (»in Zwiestadt ausgeworfen«, »ein Spross der preußisch-lutheranischen Kiefernschonung«). Er war nach Abitur und Wehrdienst ein Außenbleibender, verdingte sich (auch als Lagerarbeiter im Aufbau Verlag), blieb in der Haupttätigkeit ein Sehnender nach Grenzenlosigkeit.

Franz Fühmann entdeckt ihn, er ruft aus: »Ecce Poeta - siehe da, ein Dichter!«, er fördert den 19-Jährigen, stärkt dessen poetisches Selbst-Bewusstsein, erste Gedichte erscheinen in »Sinn und Form«. Ab 1985 öffnet sich ihm die Welt, er bereist Westeuropa, die USA. Gunnar Decker beschreibt in seiner Fühmann-Biografie Kolbes »Lust an der eigenen Person, an der es Fühmann so mangelt«; dem jungen Dichter sei »wie keinem Zweiten die Balance zwischen etabliertem Verlagsbetrieb und Underground-Szene« gelungen. Kolbe veröffentlicht bei Aufbau - aber er gründet mit Lothar Trolle und Bernd Wagner auch die illegale Literaturzeitschrift »Mikado«.

Seine Lyrik bekennt sich zum »radikalen Ich«, zu fast verzweifelter Abwehr aller sozialen Autoritäten. Er protokolliert aufreizend kühl das Desinteresse einer Generation, die nichts Gestaltbares mehr vorfindet, sondern nur noch Gegebenes. Nichts am System lockt noch, um erfahren zu werden. Der langjährige Suhrkamp-Autor, der 1987 nach Hamburg übergesiedelt war und von 1997 bis 2004 das »Studio Literatur und Theater« an der Universität Tübingen leitete, sieht sich poetisch im eisigen Flammenschatten der Expressionisten; die Assoziationskraft seiner Verse wagt viel, bleibt aber beherrscht. Als Vorgestalten für Geist und Gemüt nennt er Orwell und Solshenizyn, Bobrowksi und Sarah Kirsch.

Kolbe, vielfach preisgekrönt, weit gereist, lebt in Berlin. Früh schrieb er, was ihm Leben wurde: »Ich wölbe mir den Himmel/ Mehr schlecht als blau/ Ich warte/ Meine Ruhe währt/ Einige Jahrtausende schon/ Ich schöpfe Poesie«.

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