Importstopp für Öl aus Teersand?
EU und Kanada liegen im Clinch um den umweltschädlichen Rohstoff
Umweltschützer verdammen ihn als dreckigen Rohstoff, Befürworter feiern ihn als Energiequelle der Zukunft: Teersand. Wenn es nach der EU-Kommission geht, wird die ölhaltige Schlacke als sehr belastend für das Klima eingestuft. Das würde Exportländern den Verkauf nach Europa erschweren und Treibstoff aus Teersand weniger rentabel machen - ein Rückschlag für den Milliardenmarkt in der EU. Um dem vorzubeugen, zieht Kanada als eines der Länder mit den größten Vorkommen weltweit alle diplomatischen Register.
Ein EU-Expertengremium konnte sich am Donnerstag in Brüssel nicht auf die Ökobilanz des Energieträgers einigen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag für eine schlechtere Bewertung von Teersand am Ende durchsetzt. Demnächst werden wohl die EU-Umweltminister darüber entscheiden.
Teersand ist, was der Name vermuten lässt, eine sandige, schwarze Masse. Bei der Verarbeitung wird ihr Öl entzogen, aus dem Diesel oder Benzin gewonnen werden. Laut einer Studie der Umweltstiftung WWF schlägt der Abbau mit drei bis vierfach höheren CO2-Emissionen zu Buche als die konventionelle Ölförderung. Um Teersand in großem Stil zu gewinnen, müsse in Kanada ein Areal von der Fläche Englands entwaldet werden.
Auch die EU-Kommission sieht durch Studien belegt, dass Teersand klimaschädlicher ist als klassische fossile Brennstoffe. Zwar machen Öl oder Diesel aus Teersand derzeit nur 0,01 Prozent des Treibstoffes in der EU aus. Der Anteil soll in den nächsten Jahren aber steigen. Wie heftig der Widerstand aus Nordamerika ist, das belegen auch Briefwechsel zwischen kanadischen Offiziellen und der EU-Kommission.
Gemäß den Klimaschutzzielen der EU sollen Kraftstoffanbieter bis 2020 dafür sorgen, die Treibhausgasintensität ihrer Antriebsstoffe für den Verkehr um sechs Prozent zu senken, gemessen am Jahr 2010. »Es ist nur vernünftig, stärker verschmutzenden Produkten höhere Werte zu geben als weniger verschmutzenden Produkten«, sagt Klimakommissarin Connie Hedegaard.
Kanada stellt indes die Qualität der von der EU genutzten Studien infrage. Auch in Berlin ließ die Regierung in Ottawa Diplomaten intervenieren: In einem ungewöhnlichen Schritt warnte Kanadas Botschafter Peter M. Boehm den Umweltausschuss des Bundestages vor einer Schlechterstellung von Teersand-Öl. Ein Grünen-Antrag sah vor, der EU-Kommission bei ihren Plänen zur Seite zu springen. Obwohl die schwarz-gelbe Koalition in dieser Frage uneins ist, wurde der Antrag am 8. Februar zur Freude des kanadischen Botschafters mit knapper Mehrheit abgelehnt. Die Bundesregierung hat nach Angaben von Diplomaten derzeit keine Position im Gerangel um den Teersand.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.