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Ermittler ohne jedes Maß?
Sönke Hilbrans zur Dresdner Funkzellenabfrage im Februar 2011 / Hilbrans ist Mitglied im Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins
nd: Der sächsische SPD-Politiker Karl Nolle hat den Beschluss des Amtsgerichts Dresden veröffentlicht, mit dem am 18. und 19. Februar 2011 an drei Stellen in Dresden bis zu 24 Stunden lang Funkzellen abgefragt wurden. So sollte gegen eine kriminelle Vereinigung ermittelt werden, deren Mitglieder im Sommer 2010 Nazis überfallen haben sollen. Rechtfertigen so etwas eine Funkzellenabfrage?
Hilbrans: Die Begründung der Beschlüsse trägt die Anordnungen nicht. Das liegt weniger am Delikt selbst als daran, dass es an jeder Überlegung dazu fehlt, warum diese Maßnahme zu dieser Zeit an diesem Ort irgendetwas Wesentliches zur Aufklärung beitragen sollte.
Funkzellenabfragen stehen unter einem Richtervorbehalt. Ist das Gericht dem gerecht geworden?
Leider in wesentlichen Punkten gar nicht. Der Richter wird nicht bloß der Form halber eingeschaltet, sondern damit er als unabhängige Stelle die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme prüft. Dabei muss er eine nachvollziehbare Begründung seiner Anordnung geben. Die jetzt bekannt gewordenen Beschlüsse reihen dagegen Einzelfälle und Wertungen aneinander, ohne verdachtsbegründende Tatsachen und Zusammenhänge darzulegen und ohne die Folgen abzuwägen.
Kann eine so großräumige Abfrage in einer Großstadt verhältnismäßig sein?
Nein. Das ganze Ausmaß der Funkzellenabfragen mit Hunderttausenden Datensätzen zu Zigtausenden Betroffenen ist ja schon lange bekannt. Mit viel technischem Aufwand die Stecknadel im Heuhaufen suchen zu wollen, mag aktueller kriminalistischer Standard sein, aber hier geht es nicht um einen Heuhaufen, sondern um Zigtausende von Grundrechtsträgern, sensible Grundrechte und mit den Versammlungen am 19. Februar auch um ein politisches Großereignis.
Zu Protesten gegen Naziaufmärsche wurden viele Tausende Menschen erwartet. Hätte das Gericht das berücksichtigen müssen?
Dieser Umstand hätte spätestens klar machen müssen, dass zu viele Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden. Aber auch ohne Großkundgebungen wäre eine Funkzellenabfrage über diese Dauer unverhältnismäßig.
Unter den Demonstranten waren Abgeordnete, Rechtsanwälte und Journalisten. Hätte das Gericht ihren Telefonverkehr schützen müssen?
Während intensiv an immer neuen Verfeinerungen bei den Überwachungsmethoden gearbeitet wird, scheint es für dieses Problem noch keine einfachen Lösungen im Handel zu geben. Wer in Zukunft weiterhin massenweise Funkzellen abfragen will, sollte auch in der Lage sein, Anschlüsse von Berufsgeheimnisträgern zu ermitteln und entsprechend zu schützen. Die bessere Lösung ist freilich, solche Massenerhebungen ganz zu unterlassen.
Wie sehen Sie die Abfrage mit dem Abstand von einem Jahr?
Es ist und bleibt eine beunruhigende Vorstellung, dass massenhaft Daten, die Auskunft über Personen- und Kommunikationszusammenhänge unter den Demonstranten geben, ausgerechnet in strukturorientierte Ermittlungen nach § 129 StGB eingeflossen und auch zu anderen Ermittlungen verwendet worden sind.
Fragen: Hendrik Lasch
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