Sturz in neue Krise

Haiti: Premier Conille trat zurück

  • Hans-Ulrich Dillmann
  • Lesedauer: 2 Min.
Das krisengeschüttelte Haiti kommt nicht zur Ruhe. Nach nur vier Monaten Amtszeit ist am Freitag der Ministerpräsident des Armenhauses Lateinamerikas, Garry Conille, überraschend zurückgetreten.

In einem Schreiben an Staatspräsident Michel Martelly hatte Conille am Freitag seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Nur wenige Stunden hätte er dem Senat und dem Abgeordnetenhaus seine Ausweispapiere vorlegen sollen, die belegen, dass er Haitianer und nicht gleichzeitig Bürger eines ausländischen Staates ist.

In einer Ansprache am Freitagabend im haitianischen Fernsehen bedauerte Martelly, der selbst erst seit neun Monaten im Amt ist, den Rücktritt seines Kabinettschefs »in einem Moment, in dem das Land Fahrt aufnimmt«. Er versicherte den »Partnern der internationalen Gemeinschaft«, dass die politische Arbeit der Regierung reibungslos weitergehe. Er werde in Absprache mit den Präsidenten der beiden Parlamentskammern einen Ministerpräsidenten nominieren, versprach der frühere Musiker, dem selbst nachgesagt wird, neben der haitianischen auch die US-Staatsbürgerschaft zu besitzen.

Brisant ist der Rücktritt auch deshalb, weil bei der Berufung Conilles, eines Gynäkologen und ehemaligen hohen UN-Funktionärs, dessen Staatsbürgerschaft nicht endgültig geklärt werden konnte und das Parlament die Ernennung des neuen Regierungschefs nach heftigem internationalem Druck schließlich doch akzeptierte. Aber das Parlament ließ nicht locker und untersuchte die mögliche doppelte Staatsbürgerschaft von Regierungsmitgliedern. Der Rücktritt Conilles erfolgte unmittelbar, nachdem 17 der 18 Minister - ein Minister befindet, sich auf einer Auslandsreise - und zehn Staatssekretäre der Forderung des Parlaments nachgekommen waren, entsprechende Unterlagen vorzulegen.

Ob das Volk am Ende siegreich sein wird, wie Ex-Musiker Martelly im Fernsehen den Song »Viktwa pou pèp la« aus seiner Wahlkampagne zitierend versicherte, ist mehr als unsicher, denn die Ernennung Conilles im vergangenen Jahr dauerte schon fast fünf Monate, weil Kandidaten entgegen der Verfassung auch über ausländische Pässe verfügten. Viele der zur politischen Elite gehörenden Haitianer besitzt eine zweite Staatsangehörigkeit, weil sie im Ausland gelebt und studiert haben.

Der Leiter der UN-Friedenstruppen in Haiti, Mariano Fernández, zeigte sich über die Regierungskrise besorgt. Der Streit zwischen Regierung, Parlament und Präsident werde nicht die Bedingungen für den »Wiederaufbau, die Erholung der Wirtschaft und die institutionelle Stärkung der Rechtsstaatlichkeit verbessern«, warnte der Minustah-Chef.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.