Sturz in neue Krise
Haiti: Premier Conille trat zurück
In einem Schreiben an Staatspräsident Michel Martelly hatte Conille am Freitag seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Nur wenige Stunden hätte er dem Senat und dem Abgeordnetenhaus seine Ausweispapiere vorlegen sollen, die belegen, dass er Haitianer und nicht gleichzeitig Bürger eines ausländischen Staates ist.
In einer Ansprache am Freitagabend im haitianischen Fernsehen bedauerte Martelly, der selbst erst seit neun Monaten im Amt ist, den Rücktritt seines Kabinettschefs »in einem Moment, in dem das Land Fahrt aufnimmt«. Er versicherte den »Partnern der internationalen Gemeinschaft«, dass die politische Arbeit der Regierung reibungslos weitergehe. Er werde in Absprache mit den Präsidenten der beiden Parlamentskammern einen Ministerpräsidenten nominieren, versprach der frühere Musiker, dem selbst nachgesagt wird, neben der haitianischen auch die US-Staatsbürgerschaft zu besitzen.
Brisant ist der Rücktritt auch deshalb, weil bei der Berufung Conilles, eines Gynäkologen und ehemaligen hohen UN-Funktionärs, dessen Staatsbürgerschaft nicht endgültig geklärt werden konnte und das Parlament die Ernennung des neuen Regierungschefs nach heftigem internationalem Druck schließlich doch akzeptierte. Aber das Parlament ließ nicht locker und untersuchte die mögliche doppelte Staatsbürgerschaft von Regierungsmitgliedern. Der Rücktritt Conilles erfolgte unmittelbar, nachdem 17 der 18 Minister - ein Minister befindet, sich auf einer Auslandsreise - und zehn Staatssekretäre der Forderung des Parlaments nachgekommen waren, entsprechende Unterlagen vorzulegen.
Ob das Volk am Ende siegreich sein wird, wie Ex-Musiker Martelly im Fernsehen den Song »Viktwa pou pèp la« aus seiner Wahlkampagne zitierend versicherte, ist mehr als unsicher, denn die Ernennung Conilles im vergangenen Jahr dauerte schon fast fünf Monate, weil Kandidaten entgegen der Verfassung auch über ausländische Pässe verfügten. Viele der zur politischen Elite gehörenden Haitianer besitzt eine zweite Staatsangehörigkeit, weil sie im Ausland gelebt und studiert haben.
Der Leiter der UN-Friedenstruppen in Haiti, Mariano Fernández, zeigte sich über die Regierungskrise besorgt. Der Streit zwischen Regierung, Parlament und Präsident werde nicht die Bedingungen für den »Wiederaufbau, die Erholung der Wirtschaft und die institutionelle Stärkung der Rechtsstaatlichkeit verbessern«, warnte der Minustah-Chef.
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