300 Euro weniger erzeugen Missmut
GEW-Vorsitzende Doreen Siebernik fordert höhere Gehälter für angestellte Lehrkräfte
nd: Immer mehr junge LehrerInnen gehen wegen besserer Bezahlung in die Nachbarländer. Die letzte Einstellungsrunde hat gezeigt, dass es nicht einfach ist, den Bedarf zu decken. War es falsch, den Beamtenstatus zu streichen?
Siebernik: Ganz eindeutig: nein. Als LehrerIn muss man nicht den Status eines Beamten haben. Die Aufgaben sind auch in einem Angestelltenverhältnis ganz klar zu regeln. Aber die Arbeitsbedingungen für angestellte Lehrkräfte müssen mit denen der beamteten KollegInnen vergleichbar sein. Es ist eine große Ungerechtigkeit in den Lehrerzimmern dieser Stadt, dass die beamtete Lehrerin mehr verdient als die angestellte Kollegin. Das darf nicht sein.
Was muss sich konkret ändern?
Wir fordern die Vorweggewährung der Entgeltgruppe Stufe 5. LehrerInnen erhalten jetzt, wenn sie neu eingestellt werden, in ihrer Entgeltgruppe von vorne herein die Stufe 5. Bisher ist das aber eine einseitige Entscheidung des Senats. Wir fordern, das tariflich zu regeln. Der Tarifvertrag sieht vor, dass die LehrerInnen sicher wissen, dass sie dieses Entgelt bekommen. Der Senat bezahlt die Entgeltstufe sowieso, und jetzt soll er das verbindlich festlegen. Auch eine Reduzierung der Pflichtstundenzahl ist notwendig. Wir denken an eine Senkung um zwei Pflichtstunden. Dann wäre auch ein freiwilliger Einsatz für Vertretungsunterricht möglich. Diese Mehrarbeit kann vergütet werden, dann schließt sich auch die Entgeltlücke zwischen angestellten und beamteten KollegInnen.
Dauerkranke LehrerInnen, Bildungsdemonstrationen, Volksbegehren zur Grundschule und zur Kita ... Ist Berlin empfindlich, was das Bildungssystem angeht?
Was den öffentlichen Dienst betrifft und auch, weil es nicht mehr der Tarifgemeinschaft von Bund und Ländern angehört, ist Berlin abgeschnitten. Angestellte im öffentlichen Dienst - egal ob sie Lehrkräfte sind, ErzieherInnen oder SozialpädagogInnen - verdienen deutlich weniger als jene im Bund. Es gibt es eine große Sensibilität für diese Missstände. Wir sind 2003 aufgefordert gewesen, im Rahmen des Solidaritätspakts mit der Stadt auf zehn Prozent des Einkommens zu verzichten. Das heißt, Berlin wird erst 2017 tariflich an den Rest der Republik anschließen. Die Konstellation beamtete Lehrkraft/angestellte Lehrkraft hat in Berlin große Brisanz. Dass eine Erzieherin in Spandau bis zu 300 Euro weniger verdient als eine, die beim gleichen Träger in Brandenburg beschäftigt ist, führt zu großem Missmut. Das macht aufmerksam. Zudem ist Berlin die Stadt in der Republik, in der die meisten Kinder aus Armutsverhältnissen kommen. Schulen im sozialen Brennpunkt bitten immer wieder um Unterstützung, die Lehrkräfte bemühen sich. Wir wollen alle die besten Bedingungen für die SchülerInnen und Kitakinder. Darum ist es richtig und wichtig, dass wir laut sind und uns einsetzen.
Apropos Spezialfall Berlin. Es wurde befürchtet, dass ein rot-schwarzer Senat die Schulreform verwässert. Ist das geschehen?
Nein. Wenn wir die Signale der Bildungssenatorin Sandra Scheeres zur Inklusion ernst nehmen, wird da nichts verwässert. Scheeres sagt, man wolle das Projekt nicht mit Macht durchdrücken, sondern Bedingungen prüfen und Möglichkeiten schaffen, die Inklusion zulassen. Ich denke, viele angestellte Lehrkräfte haben sich von der neuen Koalition erhofft, dass wieder verbeamtet wird. Ich denke, die Koalition steht zu den Integrierten Sekundarschulen und dazu, dass sie sich in Ruhe weiter entwickeln. Auch die Garantie des Anspruchs auf einen Kitaplatz für bis zu Dreijährige ist ein wichtiges Signal. Der Senat nimmt den Ausbau des Kitaplatzangebots in Angriff. Das ist positiv.
Es wird mehr Kitaplätze geben. Aber es fehlen Tausende ErzieherInnen.
Etwa 1000 Kitaplätze konnten nicht vergeben werden, weil ErzieherInnen fehlen. Wir haben die Prognosezahlen der Senatsverwaltung zusammengerechnet und sind zu einem dramatischen Ergebnis gekommen: Im Jahr 2015 werden circa 5000 ErzieherInnen fehlen. Das sehen wir mit großer Sorge. Wir haben den Senat darum aufgefordert, nachhaltige Maßnahmen zu ergreifen. Die Attraktivität des Berufes muss durch eine bessere Bezahlung gesteigert werden und indem die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Der Senat muss massiv werben, denn dass ErzieherIn ein toller Beruf ist, muss in die Köpfe von Kindern und Jugendlichen. Es müssten perspektivisch Verhältnisse weg von der schulischen hin zu einer betrieblichen Ausbildung geschaffen werden, damit auch ein Ausbildungsgeld gezahlt wird.
Fragen: Sonja Vogel
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