Knast für Pflegeschelte

Weil sie auf unhaltbare Arbeitsbedingungen hinwies, soll Angelika Konietzko hinter Gitter

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Angelika-Maria  Konietzko: die Altenpflegerin ist von Erzwingungshaft bedroht, weil sie die Arbeitsbedingungen ihres Unternehmens kritisiert hatte – nun wurde der Haftantrittstermin erneut verschoben.
Angelika-Maria Konietzko: die Altenpflegerin ist von Erzwingungshaft bedroht, weil sie die Arbeitsbedingungen ihres Unternehmens kritisiert hatte – nun wurde der Haftantrittstermin erneut verschoben.

Die Absage kam in letzter Minute. Eigentlich hatte sich Angelika-Maria Konietzko auf einen mehrmonatigen Gefängnisaufenthalt vorbereitet. Doch jetzt wurde ihr kurzfristig mitgeteilt, dass der für heute terminierte Haftantritt vorerst ausgesetzt ist. »Für mich ist es eine Form der Zermürbungstaktik. Der Termin wurde schon einmal um zwei Wochen verschoben«, erklärte Konietzko am Montagvormittag auf einer Pressekonferenz in Friedrichshain. Der zierlichen Frau mit den langen schwarzen Haaren merkte man auf den ersten Blick keine Nervosität an. Ruhig und bestimmt erläuterte sie, dass sie weiterhin nicht bereit ist, den geforderten Offenbarungseid zu leisten. Stattdessen möchte sie die Erzwingungshaft antreten.

»Ich will damit auf unhaltbare Arbeitsbedingungen im Pflegebereich sowie auf Prozessbetrug aufmerksam machen«, betonte Konietzko. In einer nun mehr als fünfjährigen gerichtlichen Auseinandersetzung seien ihre Klagen aus formalen Gründen zurückgewiesen worden. Die mittlerweile auf 957,15 Euro angewachsenen Gerichtskosten sind der Grund für die Aufforderung zum Offenbarungseid. Der Haftbefehl besteht auch nach der Verschiebung des Haftantritts weiter.

Der hinter dem Fall Konietzko liegende Konflikt entzündete sich an den Arbeitsbedingungen in einer Demenz-Wohngemeinschaft in Mitte, in der Konietzko seit 2001 als Pflegehelferin angestellt war. »Obwohl der Pflegedienst in seiner eigenen Werbung angab, er leiste eine 24-stündige Betreuung der unter Demenz leidenden Senioren, stand in meinem Arbeitsvertrag, dass ich lediglich Bereitschaftsdienst zu verrichten habe, der wesentlich schlechter bezahlt wurde«, schilderte Konietzko. Es sei ihr um die bestmögliche Betreuung der demenzkranken Senioren gegangen. Die sei unter den Arbeitsbedingungen nicht zu gewährleisten gewesen, bekräftigt die Frau noch heute. Ihre Beschwerden und Briefe seien vom Arbeitgeber nicht beantwortet worden. Eine Einschaltung von Pflegeorganisationen sei vom Pflegedienst mit einer einstweiligen Verfügung untersagt worden. Der Arbeitgeber äußerte sich zu den Vorwürfen auch auf mehrmalige »nd«-Nachfrage nicht.

Die Sozialpädagogin Gabriele Tammen-Parr von der Organisation »Pflege in Not« bestätigte auf der gestrigen Pressekonferenz, dass eine 24-Stunden-Wache in einer Demenz-Wohngemeinschaft unbedingt erforderlich sei. Daher unterstützte die Organisation Angelika Konietzko in ihrer Auseinandersetzung mit dem Pflegedienst.

Für den Gewerkschafter Jochen Gester, der zu dem Mitbegründern des Solidaritätskomitees »Angelika Konietzko« zählt, ist es ein Skandal, dass die Klage der Altenpflegerin vor Gericht aus formalen Gründen ohne die Einleitung einer Beweisaufnahme abgelehnt worden sei. Jetzt müsse verhindert werden, dass eine Beschäftigte, die wegen ihres Engagements für bessere Arbeitsbedingungen und eine gute Pflege gemobbt und abgestraft wurde, ins Gefängnis gehen muss. Nachdem das Solidaritätskomitee den Fall öffentlich gemacht hatte, gab es viele Unterstützungserklärungen, auch von Pflegekräften aus Polen und Frankreich.

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