Wie der Hirschhügel nach Kuhfraß kam

Goethe zog Sir Parry nach Thüringen, wo ihm Luise von Stein den Kopf verdrehte

  • Matthias Opatz
  • Lesedauer: 2 Min.
Thüringen als das Land der Burgen und Schlösser - selbst in kleineren Orten kann man welche entdecken. Jenes von Kuhfraß im Kreis Rudolstadt zählt zu den jüngsten. Es wurde 1835 bis 1838 errichtet. Bauherr war ein reicher Ire, der einst als Goethe-Verehrer nach Thüringen gekommen war. Dort aber verdrehte ihm Luise von Stein den Kopf, so dass aus Sir James Patrick Parry der Earl of Kuhfraß wurde, ehe er sich nach dem Bau des Jagdschlosses Earl of Hirschhügel nannte. Das Gut Kuhfraß gehörte zu dem Zeitpunkt, als der junge Parry nach Thüringen kam, dem Freiherrn Karl von Stein, ältester Sohn der Goethe-Vertrauten Charlotte von Stein. Parry verliebte sich in Karl und Amelie Ton Steins Tochter Luise, wurde aber erst als Schwiegersohn akzeptiert, nachdem er sich am Altenburger Hof einen Adelstitel und 1827 von Stein das Gut Kuhfraß abgekauft hatte. Dass Parry das Flurstück und das zehn Jahre später dort errichtete Schlösschen Hirschhügel nannte, ist wohl nicht allein auf die Tatsache zurückzuführen, dass ihm der Name Kuhfraß zu wenig poetisch erschienen sein mag, sondern auch auf seine Verehrung für den Hirsch. Auch Hirschwiese, Hirschbrunnen (überliefert als Eichenborn) und Hirschgrund (Haselbachtal) gehen auf Benennungen Parrys zurück. Das Schloss Hirschhügel ging nach Parrys Tod an die Familie Ton Henckel-Donnersmarck, in die Parrys Tochter Emma eingeheiratet hatte, und blieb bis zur Bodenreform in ihrem Besitz. Danach wurde es als Umsiedler-Unterkunft und Altersheim genutzt. 1992 übernahm das Sozialpflegewerk Heuser das heruntergekommene Schloss und renovierte es grundlegend. Heute leben und arbeiten hier geistig und sozial benachteiligte Menschen. Die Schlossbewohner sind freundlich und aufgeschlossen, so dass einem Besuch von Schloss Hirschhügel nichts im Weg steht. Zugleich kann man sich davon überzeugen, dass diese Menschen keineswegs »zur Verwahrung abgeschoben« sind. Sie pflegen Haustiere und den Park, basteln oder musizieren. Unweit vom Parryschen Jagdschloss befindet sich ein romantisch-verwilderter Friedhof mit Grabkapelle, wo die Familien von Parry-Hirschhügel und Henckel-Donnersmarck ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Bis zum nächsten Schloss, das Wasserschloss Kochberg, sind es von Kuhfraß nur ein bis zwei Wanderstunden. Natürlich lohnt der Abstecher auch von Großkochberg aus.
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