Die nukleare Kette
Das Rathaus Kreuzberg beherbergt eine kritische Ausstellung zur Uranindustrie
Als Eröffnungstermin für die von ihr entwickelte Ausstellung »Kernkraft. ›Das Märchen‹« hatte sich Ana von Keitz nicht den 11. März, den Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Fukushima, ausgesucht, sondern den Frauen(kampf)tag am vergangenen Donnerstag. Die von der 68-jährigen Töpferin erstellte Schau behandelt allgemein die Schädlichkeit der Verwendung von Uran - sei es bei dessen Abbau, beim Kraftwerksbetrieb oder in Uranmunition. Sie widmet sie aber »den Frauen, die durch U-238 genetisch geschädigte Kinder geboren haben und gebären werden«, wie im Werbematerial zu lesen ist.
U-238 ist ein Uranisotop, der Hauptbestandteil von Natururan. Es bleibt übrig, wenn U-235 für die Verwendung in Kernkraftwerken abgetrennt wird - ein Reststoff also, der Verwendung bei der Waffenherstellung findet. Das leicht radioaktive U-238 macht nämlich große und kleine Geschosse panzerbrechend und wurde deshalb in mehreren NATO-Kriegen eingesetzt. Über die ökologischen Folgen dieser giftigen Uranmunition herrscht seit über zehn Jahren heißer Streit.
Seit 2000 beschäftige sie sich mit diesem Thema, sagt Ana von Keitz gegenüber »nd«. Eine von ihr entworfene Postkarte, die Missbildungen bei irakischen Kindern anprangert, überreichte sie am Hiroshima-Gedenktag am 6. August 2011 spontan Franz Schulz. Der Grünen-Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg hatte an der Friedensglocke im Volkspark Friedrichshain »schön zu Atomkraft geredet«, wie von Keitz findet. Bei der Gelegenheit habe sie ihm erzählt, dass sie 1984 im Rathaus Kreuzberg eine Ausstellung zu Pershing-Raketen gemacht habe, die die NATO auch von der BRD aus gen Osten richtete. »Da blühte er auf und sagte: ›Machen Sie doch wieder eine Ausstellung!‹ Ohne mich zu kennen!«
Ana von Keitz erarbeitete dann zehn große Ausstellungstafeln, in die sie auch Texte von Fachleuten integrierte. Am Donnerstag eröffnete Franz Schulz die Schau.
Das Begleitprogramm zur Ausstellung bilden Vortragsabende. Den Anfang machte am Donnerstag Angelika Claußen, bis 2011 langjährige Vorsitzende der Organisation IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atom-krieges / Ärzte in sozialer Verantwortung). Die Bielefelder Psychiaterin und Psychotherapeutin gab einen Überblick über »die gesamte nukleare Kette«: vom Uran-Bergbau über die Brennelementeherstellung und die Anreicherung bis hin zum Betrieb von Kernkraftwerken und der Entsorgung. Ihr Vortrag spiegelte also die Vielfalt der Ausstellungsthemen.
Claußen geht es darum, den Untertitel der Ausstellung - »das Märchen« - zu steigern. Statt dessen müsse von einem »System der gezielten und erlaubten Täuschungen« gesprochen werden. »Von Anfang an«, also seit die Nutzung der Kernenergie als friedlichen Zwecken dienend verpackt wurde, sei die Bevölkerung über die wahren Risiken getäuscht worden, ist sich die IPPNW-Ärztin sicher.
Im Fall von Fukushima, beziehungsweise Japan, könne jedoch exemplarisch der Filz zwischen politischen und wirtschaftlichen Eliten aufgezeigt werden - das »systematische Verschweigen, Täuschen und Lügen«, das Claußen zufolge den Kernenergiesektor in vielen Ländern kennzeichne. Auch in Deutschland.
»Kernkraft. ›Das Märchen‹«, bis zum 4. April täglich 10-20 Uhr im Foyer des Rathauses Kreuzberg, Yorckstr. 4-11. Begleitprogramm unter: www.uran-munition.de
Ana von Keitz bietet Führungen an und ist unter der Telefonnummer 313 47 16 erreichbar.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!