Wenn Proschim abgebaggert wird ...

Welzows Bürgermeisterin bietet den Bewohnern in der Stadt eine neue Heimat an

  • Torsten Richter, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit der dörflichen Idylle in Proschim ist es schon lange vorbei. Unter dem Ortsteil von Welzow im Kreis Spree-Neiße liegen 200 Millionen Tonnen Braunkohle. Der Energiekonzern Vattenfall will sie für das Kraftwerk Schwarze Pumpe herausholen. Zurzeit läuft das Planverfahren für das Teilfeld II des Tagebaus Welzow-Süd. Die Emotionen der Befürworter und Gegner kochen hoch und spalten den Ort. Falls die rot-rote Landesregierung unter Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) den Braunkohlenplan im kommenden Jahr genehmigt, müssten Proschim und der Welzower Wohnbezirk V der Grube weichen. Betroffen wären etwa 800 Menschen.

Gut sichtbar in der Mitte von Proschim steht eine Tafel, auf der einige bereits abgebaggerten Orte in der Lausitz verzeichnet sind. Darunter ist auch Horno, das dem Tagebau Jänschwalde im Wege stand und deshalb abgerissen wurde. Wegen der Kohle verschwanden auch Wolkenberg, Kausche und Haidemühl von der Landkarte. In zehn Jahren könnte Proschim hinzukommen. Doch dagegen wehrt sich eine Bürgerinitiative.

Auch Ortsbeirat Erhard Lehmann (CDU) setzt sich für den Erhalt seines Heimatdorfes ein. Seit seiner Geburt lebt der 61-Jährige in Proschim. »Ich bin keineswegs gegen die Kohle, habe selbst 26 Jahre im Tagebau gearbeitet«, erzählt er. »Aber dieser Raubbau an unseren Dörfern muss endlich aufhören!« Proschim sei seine Heimat. »Die kann nicht einfach so ersetzt werden.«

Nur einige hundert Meter entfernt wohnt Gundula Stede. »Wenn es die Wirtschaft erfordert und der Braunkohlenplan beschlossen wird, muss der Ort eben umgesiedelt werden«, sagt die 65-Jährige. Jeder Betroffene erhalte schließlich eine angemessene Entschädigung von Vattenfall. Stede selbst würde möglichst bald nachWelzow umziehen. »Wir werden schließlich nicht jünger.«

Ortsvorsteherin Petra Rösch (parteilos) bezeichnet sich selbst als entschiedene Gegnerin einer Abbaggerung. Die Geschäftsführerin der Proschimer Landwirte GmbH mit 85 Mitarbeitern, setzt auf Solarenergie. So arbeitet der Firmenverbund seit Jahresbeginn nur noch mit Strom aus erneuerbaren Quellen. »Wir müssen schon jetzt auf gut 40 Prozent der Nutzfläche mit Kippenböden vorlieb nehmen, die kaum das Wasser halten können«, kritisiert Rösch.

Bestärkt wird sie von einem Beschluss der Welzower Stadtverordneten vom Juni 2011. Darin fordern die Stadtverordneten die Bürgermeisterin Birgit Zuchold (SPD) auf, alles zu unternehmen, damit Proschim nicht abgebaggert wird. Ein gleichlautender Beschluss für das ebenfalls bedrohte Welzower Wohngebiet V wurde aber mehrheitlich abgelehnt.

Die Regierung will den Betroffenen helfen. Eine Koordinierungsgruppe soll die künftige Entwicklung der Stadt am Tagebau sichern.

Bei Vattenfall sieht man den Konflikt gelassen. »Natürlich nehmen wir den Widerstand gegen die Abbaggerung zur Kenntnis«, versichert Sprecher Thoralf Schirmer. Allerdings hätten Gutachter nachgewiesen, dass der Konzern auf die Kohle unter Proschim und dem Wohnbezirk V nicht verzichten kann. »Nur so kann der Tagebau wirtschaftlich weitergeführt werden«, betont Schirmer. Das habe eine Untersuchung der Bergakademie Freiberg und der Firma Geomontan ergeben. Bürgermeisterin Zuchold wirbt dafür, dass bei einer Umsiedlung möglichst viele Proschimer in Welzow ein neues Zuhause finden. Das Stadtentwicklungskonzept benenne allein in der Innenstadt eine Aufnahmekapazität für 670 Menschen. Weitere 410 Umsiedler könnten in den Außenbereichen heimisch werden. »Eine Wiederansiedlung der Proschimer in Welzow ist somit möglich«, beteuert Zuchold.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -