»Solidarität ist unsere größte Waffe«
Griechische Gewerkschaftsvertreter klären in Deutschland über die Situation in ihrer Heimat auf
Für Panagiotis Katsaros und seine Kollegen im griechischen Stahlwerk Chalyvourgia Elladas in Aspropyrgos, einem Vorort 20 Kilometer vom Zentrum der griechischen Hauptstadt Athen entfernt, kam die Botschaft an einem Herbsttag. Die Führung des Unternehmens beschloss harte soziale Einschnitte für die Belegschaft. So sollen die Arbeiter künftig Lohnkürzungen von 30 bis 40 Prozent akzeptieren, sämtliche Zulagen verlieren, die Arbeitszeiten flexibilisiert und die Zahl der Mitarbeiter um die Hälfte reduziert werden. Für Katsaros und seine Kollegen unhaltbare Zustände. »Von 500 bis 600 Euro kann man in Griechenland nicht überleben«, erzählt der zweifache Familienvater. Nach Angaben der Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit liegen die Lebenshaltungskosten nur etwas niedriger als in Deutschland.
Weil die Beschäftigten des Stahlwerkes die Entscheidung der Unternehmensleitung nicht mittragen wollen und können, befinden sich die Arbeiter in einem inzwischen mehr als 135 Tage andauernden Streik. Um die Belegschaft zum Einlenken zu zwingen, droht die Firmenführung laut Katsaros' Aussagen damit, einfach jüngere Leute zu deutlich niedrigeren Gehältern einzustellen. Doch allein schon aus Solidarität zu den bereits 93 entlassenen Kollegen, deren Wiedereinstellung man fordert, kämpfen die Arbeiter weiter. »In der Vergangenheit hat es keinen so großen Streik gegeben«, erinnert sich Katsaros.
So wie in »ihrem« Stahlwerk sieht die Situation derzeit in vielen Fabriken Griechenlands aus. Ihre »größte Waffe« als Druckmittel ist dabei die große Welle der Solidarität, welche den Arbeitern sowohl in der griechischen Bevölkerung als auch international entgegengebracht wird. Mehrere tausend Solidaritätsbekundungen aus der ganzen Welt haben die Streikenden mittlerweile erreicht.
Von Freunden und Bekannten erhalten sie materielle Unterstützung. Anders wäre der Arbeitskampf auch nicht zu bewältigen. Streikassen, wie sie in Deutschland üblich sind, kennt man bei den griechischen Gewerkschaften nicht.
Zu letzteren hat Panagiotis Katsaros ein eher gespaltenes Verhältnis. »Keine der großen Gewerkschaften hat uns bisher unterstützt«, so der 45-Jährige. Von der »Allgemeinen Konföderation der griechischen Arbeiter«, die größte griechische Gewerkschaft für Beschäftigte in der Privatwirtschaft haben die Streikenden bisher genauso wenig Unterstützung erfahren wie von der sozialdemokratischen PASOK-Partei oder der konservativen Nea Dimokratia. »Schwarze Front« nennt Panagiotis Katsaros diese Art neoliberale Einheitsfront abwertend. Seiner Ansicht nach vertreten die derzeit an der Regierung Beteiligten »nur die Interessen der Arbeitgeber«. Eine Ausnahme im Arbeitskampf bildet dagegen die kommunistische Gewerkschaft PAME, welche der griechischen Kommunistischen Partei (KKE) nahesteht.
Für die im Frühjahr angesetzten Parlamentswahlen erhofft sich der 45-Jährige einen großen politischen Umsturz. »Die Menschen müssen erkennen, dass die Regierenden nur den Interessen des Kapitals dienen«, so Katsaros kämpferisch. Politik und Gewerkschaftsführungen müssten sich grundlegend ändern. »Besonders die Basis muss stärker als bisher beteiligt werden«, fordert Katsaros. Seit 22 Jahren arbeitet er im Stahlwerk. Würde er seinen Arbeitsplatz verlieren, dann hätte er aufgrund seines Alters und einer Arbeitslosenquote von über 21 Prozent kaum eine Chance auf eine neue Festanstellung. Dabei geht es der Mehrheit der griechischen Bevölkerung längst nicht so gut, wie von deutschen Medien in der Vergangenheit oft der Anschein erweckt wurde. Von den Anfeindungen der deutsche Presse hat Katsaros auch einiges mitbekommen. »Es ist uns bekannt, dass von einigen Medien Propaganda gegen die unteren Schichten betrieben wird.«
Um über die tatsächliche Situation der Hellenen aufzuklären, besuchen Katsaros und zwei weitere Gewerkschafter auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Initiative »Real Democracy Now« bis zum heutigen Freitag Veranstaltungen in vier deutschen Städten. Letzte Station der Reise ist heute Abend in Hamburg.
Hamburg 16. März: Demokratie unter Beschuss - Streikende aus Griechenland berichten, 19 Uhr, Gängeviertel.
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