Kontaktmonopol abgeschafft
Zerwürfnisse bei »Mediaspree Versenken!«: Sprecher nach vielen Konflikten geschasst
Sie hatte es mit einem erfolgreichen Bürgerbegehren zeitweise geschafft, dem »Initiativkreis Mediaspree Versenken!« stadtweiten Respekt zu verschaffen: die »AG Spreeufer« dieser Protestbewegung. Doch nun gibt es in ihr Zoff, der an die Grundlagen geht. Am 8. März gaben drei AG-Mitglieder eine »Neustrukturierung« bekannt: Carsten Joost, der durch zahlreiche Medienberichte prominent gewordene langjährige Sprecher, sei »aufgrund systematischer unsachgemäßer sowie intransparenter Kassenführung als Mitglied und Repräsentant der Initiative ›Mediaspree Versenken!‹, beziehungsweise der ›AG Spreeufer‹, nicht mehr tragbar«. Joost habe auch durch sein »Kontaktmonopol« Anfragen zu Führungen und Vorträgen verschwiegen - und Zusagen mitunter von Honorarzahlungen abhängig gemacht. Die Presseerklärung steht im Internet - dort, wo bisher der Auftritt von »Mediaspree Versenken!« zu finden war.
Der seit Jahren in zwei Arbeitsgruppen - »Spreeufer« und »Spreepirat_innen« - gespaltene »Initiativkreis« hat die Senatsplanungen zum Spreeraum von vor allem Friedrichshain-Kreuzberg mehrfach erfolgreich skandalisiert und viele Menschen mobilisiert. Die AG Spreeufer war 2008 sogar mit dem Bürgerentscheid »Spreeufer für alle!« erfolgreich, bei dem über 30 000 Menschen ihren Vorgaben für die bauliche Entwicklung des Ufers zustimmten: ein 50 Meter breiter unbebauter Uferstreifen, 22 Meter als Maximalhöhe für neue Gebäude und der Verzicht auf eine Autobrücke.
Carsten Joost meldete sich bald auf seinem neuen Internetblog zu Wort. Seine Sicht der Dinge: Ein »ehemaliger Aktiver« habe E-Mail-Postfach und Internetauftritt der Gruppe missbraucht, die AG Spreeufer wisse von nichts. In einem langen Text nimmt Joost zu den Vorwürfen gegen sich Stellung - die alles andere als neu sind, wie er zugibt: Als »karrieristisch, undemokratisch, selbstherrlich, monopolistisch« sei er in der Vergangenheit bezeichnet worden. Dabei habe er nur deshalb so viel Arbeit übernommen, »weil die zeitraubende ständige Diskussion um die politische Ausrichtung viele Gruppenaktive verunsichert und manchmal zur Aufgabe bewogen haben«. Zudem sei die Gruppenarbeit »über Jahre von außen immer wieder gestört und Mitstreiter und Interessierte zur Aufgabe der Mitarbeit überredet« worden.
Mit »außen« meint Carsten Joost sicherlich vor allem die Spreepirat_innen - wie sogar ein Mitglied dieser Gruppe gegenüber »nd« vermutet. Sie ist die radikalere Fraktion von »Mediaspree Versenken!«, was sich nicht nur an ihrer politischen Stoßrichtung zeigt, sondern auch an ihrer Sensibilität für Gruppenprozesse. Hier sind nämlich jene Leute aktiv, die vor über vier Jahren den Bruch mit Joost wollten - und zwar wegen genau den Vorwürfen gegen ihn, die Joost heute selbst rekapituliert. Zuletzt im Dezember 2011 hatten die Spreepirat_innen - angeblich aus aktuellem Anlass - auf ihrem Blog moniert, dass »viele Menschen« aufgrund Joosts »selbstherrlicher Machtpolitik« bei der AG Spreeufer aufgehört hätten.
Bekannt ist auch ein Fall von Januar 2009, als Joost bei einem Treffen der AG Spreeufer derart bedrohlich auf eine Kritikerin zugegangen sein soll, dass sie vor Angst aus dem Raum rannte und danach aus der Gruppe ausstieg.
Im Gespräch mit »nd« klingt Carsten Joost geknickt. Alles sei »zerschlagen«, die Gruppe »geschockt« und »paralysiert«. Auf die Frage danach, wie es weitergeht, antwortet Joost nur: »Die AG Spreeufer gibt es in der Form nicht mehr.« Er betont allerdings auch, dass es »eine große Welle der Unterstützung« für ihn gebe, die sich in Emails an ihn ausdrücke.
Jörg Morzynski, Mitverfasser der Rausschmisserklärung und von Joost als Hauptkontrahent bezeichnet, vermittelt ein anderes Bild. Von »Schock« könne keine Rede sein, so der Treptower Designer. »Man kann nicht sagen, dass die Gruppe sich gespalten hätte«, hält er fest. »Die AG Spreeufer hat sich von Carsten Joost getrennt.« Die Gruppe arbeite weiter, auch mit den montäglichen Treffen.
Morzynski will Joost schon Mitte Februar mit den nun öffentlich gemachten Vorwürfen schriftlich konfrontiert haben. Alle Versuche, Joost zum Rückzug zu bewegen, hätten jedoch nichts gebracht. Morzynski gibt an, 2009 noch ein Fürsprecher Joosts gewesen zu sein, als schon einmal die Gruppenmehrheit für einen Rausschmiss war. Nun sei sich die Gruppe aber einig: »Wir können Carsten nicht mehr vertrauen.« Joost solle nun noch Kasse und Zugang zum E-Mail-Postfach der Gruppe übergeben. Das E-Mail-Passwort hatte er laut Morzynski jahrelang für sich behalten.
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