Die Frage des Einzugs

Piraten frohlocken, Grüne hoffen auf ein Wunder, FDP ist trotzig

  • Oliver Hilt
  • Lesedauer: 3 Min.
Ob im Landtag nach dem 25. März wieder fünf Fraktionen Platz nehmen, ist derzeit nicht ausgemacht. Allen Umfragen zufolge anzunehmen, dass auf den bisher von der FDP besetzten Plätzen Vertreter anderer Parteien sitzen werden - womöglich die Piraten.

Die Saar-Piraten, in den letzten Umfragen stabil bei fünf Prozent gehandelt, gehen selbst von einem Ergebnis zwischen sechs und sieben Prozent aus. Der noch junge Landesverband hatte in einer launigen Neujahrsbotschaft an Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) appelliert, die zerstrittene FDP zur Raison zu bringen. Neuwahlen kamen für die Piraten zum damaligen Zeitpunkt nämlich noch zu früh.

Nach dem Bruch der Koalition eine Woche später, am 6. Januar, haben die Piraten aber ein atemberaubendes Tempo im Kampf um den Einzug ins Parlament vorgelegt. Als erste Partei hatten sie ihre Kandidaten aufgestellt. Nur zwei Tage brauchten sie, um die für eine neue Partei notwendigen Unterstützerunterschriften zu sammeln. Und dem Vorwurf, kein Programm zu haben, setzten sie zwei Wochen vor der Wahl einen zweitägigen Programmparteitag mit Entscheidungen über 200 überwiegend landespolitische Anträge entgegen. Darin bekennen sie sich zur Eigenständigkeit des Saarlandes und zur Schuldenbremse, wollen die Bildungspolitik aber vom Sparen ausnehmen. Strategisch kämpfen die Piraten vor allem um bisherige Nicht-Wähler. Nach den jüngsten Umfragen wildern sie aber auch ganz offen im grünen Terrain.

Die Saar-Grünen müssen derweil mit aktuellen Umfragewerten von vier Prozent um den Wiedereinzug ins Parlament bangen, könnten in weniger als drei Monaten von den Regierungsbänken direkt ins außerparlamentarische Dasein wechseln. Die anfängliche Hoffnung, von Regierungserfolgen der letzten beiden Jahre zu profitieren, hat man schnell wieder fahren lassen. Zu diesen zählen die Grünen ein verschärftes Nichtraucherschutzgesetz, die Abschaffung der Studiengebühren, die Einführung einer Gemeinschaftsschule und einen Energiemasterplan.

Doch den Versuch, mit einem »Spitzenquartett« aus den beiden Parteivorsitzenden und den beiden Ex-Ministern in den Wahlkampf zu ziehen, gaben die Grünen wieder auf. Spitzenkandidatin ist jetzt Ex-Umweltministerin Simone Peter. Von ihr erhoffte sich die Partei mehr Sympathie als vom machtpolitischen Vorsitzenden Hubert Ulrich. Aber auch ihre Warnungen vor Stillstand in einer Großen Koalition und drohenden Streichungen von Lehrerstellen verfangen beim Wahlvolk offenbar nicht. Dazu kommt die diesmal fehlende Machtoption.

Außerdem hängt den Grünen im eher harmoniebedürftigen Saarland das Pokerspiel vor der »Jamaika«-Entscheidung an. Dem Schein nach hatten sie eine rot-rot-grüne Koalition ins Auge gefasst und diese Option dann überraschend fallen gelassen. Und der Untersuchungsausschuss zur Spendenpraxis des Unternehmers und FDP-Politikers Hartmut Ostermann zugunsten der Grünen im vorausgegangenen Wahlkampf dürfte dem Vertrauen in die Saar-Grünen einen weiteren kräftigen Knacks versetzt haben. Galionsfigur für diese Politik war Hubert Ulrich. Dass der hinter Peter wirklich ins zweite Glied zurücktreten will, glauben nur die wenigsten.

In dem extrem kurzen Wahlkampf bleibt Peter auch kaum die Zeit, mit ihrem Slogan »die echte Wahl« für grünen Aufbruch zu werben. Sie führt eine Partei, die in der »Jamaika«-Zeit praktisch nicht mehr in Erscheinung getreten ist, nachdem »Jamaika«-Kritiker sehr schnell ins Abseits gedrängt worden waren. Der eigentliche parteiinterne Machtkampf wird erst nach der Wahl kommen, so sagen es Insider voraus. Unabhängig vom grünen Ergebnis.

Die FDP, die den Bruch von »Jamaika« durch ihre Selbstzerfleischung verursacht hat, versucht trotzig, als Opposition gegen »die zwei sozialdemokratischen Parteien« die schier unmögliche Rückkehr ins Parlament zu schaffen. Mit komplett neuem Personal und dem Slogan »Es geht auch anders« liegen sie derzeit bei Umfragewerten, mit denen man in Grafiken normalerweise nicht einmal einen eigenen Balken bekommt.


Schwätze an der Saar

Schaales - großer, gerührter Kartoffelpuffer, saarländisches Nationalgericht, wahrscheinlich von »Schale« (=Kruste) abgeleitet. »Am Samschdaach gebbds emol wedder Schaales.«
Schwenkbroode - Schwenkbraten, saarländische Spezialität.
Urwes - Rest, »De Teller gebbd leer gess! Do werre kenn Urwese gemacht.«

Die Begriffe wurden sämtlich der Internetseite der Landesregierung entnommen - www.saarland.de

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.