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MfS-Verdächtige öffentlich geoutet
Sozialausschuss debattierte neuen Stasi-Fall
Persönlichkeitsrechte und rechtsstaatliche Standards gelten in Brandenburg offenbar nicht gleichermaßen. Die Ausschussvorsitzende Birgit Wöllert (LINKE) des Sozialausschusses des Brandenburger Landtages musste gestern in einer Sondersitzung die Vertreter der Opposition darüber belehren, dass auch Stasi-Beschuldigte ein Recht auf Schutz genießen.
Zuvor stellte sich Sozialminister Günter Baaske (SPD) vor eine Ministeriumsmitarbeiterin, die öffentlich in einer Zeitung und in dem Regionalsender RBB an den Pranger gestellt worden war. Vor einigen Tagen war bekannt geworden, dass die 2002 verstorbene Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) die heutige Referatsleiterin Mitte der 90er Jahre »begnadigt« und im Amt belassen hatte, obwohl sie ihre MfS-Mitarbeit bei der Einstellung verschwiegen hatte. Die Frau sei lediglich abgemahnt und die Abmahnung 2008 gelöscht worden.
Er stehe auch heute zu dieser Entscheidung, erklärte Minister Baaske gestern. Sie sei von Regine Hildebrandt und dem damaligen Staatssekretär Olaf Sund nach einer sorgfältigen Einzelfallprüfung getroffen worden, mithin von Personen, »die mein absolutes Vertrauen haben«. Bislang liege gegen die beschuldigte Frau nichts vor, was über den Erkenntnisstand von 1995 hinausgehen würde.
Es seien aus dem Ministerium in den 90er Jahren 1907 Anfragen bei der Unterlagen-Behörde eingegangen, fuhr Baaske fort. Hinweise auf eine MfS-Zusammenarbeit habe es in 107 Fällen gegeben. Daraufhin seien 27 Kündigungen ausgesprochen worden, sieben Abmahnungen ergangen, 19 Auflösungsvereinbarungen unterzeichnet worden. Keine Konsequenzen habe es in 37 Fällen gegeben. Eine Personalchefin des Ministeriums gab gestern im Ausschuss zu Protokoll, in ihrem Hause gelte nach wie vor der vom Landtag 1994 beschlossene Grundsatz »Mit menschlichem Maß die Vergangenheit bewerten«.
Die Diktatur-Beauftragte Ulrike Poppe hatte jüngst zum aktuellen Fall angemerkt, Regine Hildebrandt sei niemand gewesen, der leichtfertig entschieden habe. In einer Zeitung wurde dagegen ein Mitarbeiter der Jahn-Behörde mit der Einschätzung zitiert, dass sich für die Version der beschuldigten Frau, ihre MfS-Mitarbeit habe 1986 geendet, »kein Hinweis« in den Akten finde. Vor dem Hintergrund der Pranger-Vorgänge wurde jetzt die Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge eingeschaltet. Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser verspricht sich davon eine »rechtlich saubere Klärung«.
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