Welten und Gegenwelten
Regisseur und Schauspieler Manfred Karge über Zufälle und das »Solidaritätslied«
Heute hat im Berliner Ensemble Gorkis »Wassa Shelesnowa« Premiere. Regie: Manfred Karge. Auf der Bühne ist er ein Bewusstseinsspieler, aber er betreibt kein Zeigetheater. Er schrieb als Regisseur Theatergeschichte, und wenn er heute übers BE-Gelände geht, ist das ein wissend und listig wirkendes Schlendern: Da weiß einer - von Kopf bis Fuß und im mehrfachen Sinne des Wortes - genau jenen Grund, auf dem er geht. Hans-Dieter Schütt führte mit ihm das Gespräch.
nd: Manfred Karge, in Ihrer Hanns-Eisler-Revue am Berliner Ensemble erklingt das »Solidaritätslied«. Es hat Wucht, die gegen das Publikum drängt.
Karge: Erstmal ins Publikum. Einfach nur: ins Publikum.
Warum betonen Sie das?
Weil wir nicht von vornherein davon ausgehen, dass ein Publikum gegnerisch sei. Die Bühne ist ein Podium, keine Barrikade.
Am Ende löst sich der Chor, der das Lied singt, in ratlose, unsichere Einzelne auf. Warum jene entschiedene Wucht nicht beibehalten? Haben Sie keine Hoffnung mehr in die kraftvolle Menge?
In vielen Teilen der Welt gibt es große soziale Massenproteste. Es rumort. Aber alle Bewegung zeigt doch auch - vielleicht schneller als früher - die Kehrseite: die Aufspaltung der Interessen, der Umschlag von Mut in Gewalt. Seltsam: Mit der Befreiung der Gerechtigkeitsidee von den Ideologien fehlt gleichzeitig eine nicht zu unterschätzende Bindungskraft.
In Deutschland geschehen die Proteste, von denen...
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