Happy Birthday, Bürokratiemonster!

Seit einem Jahr ist das umstrittene Bildungspaket für arme Kinder in Kraft

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Bildungspaket für Kinder von Geringverdienern und Hartz-IV-Beziehern entpuppt sich als Flop: Das Geld kommt bei den Bedürftigen kaum an und die Verwaltungskosten sind enorm. Trotzdem zog die zuständige Bundesarbeitsministerin am Donnerstag eine positive Bilanz.

Zum einjährigen Jubiläum ihres Bildungspaketes lud Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur großen Pressekonferenz nach Berlin. Es sei »ein guter Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen«, so die Ressortleiterin. Und diese fiel durchweg positiv aus: »Der Einsatz hat sich gelohnt«, fand von der Leyen. Am 1. April 2011 trat das Bildungspaket in Kraft. Es war eine Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das die Berücksichtigung der »besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen« bei der Hartz-IV-Regelsatzberechnung forderte. Bis dato wurde der Betrag für Kinder einfach geschätzt. Da es das Gericht der Regierung freigestellt habe, ob sie »Geld- oder Sachleistungen« ausgebe, so von der Leyen gestern, habe man sich für die Sachleistungen entschieden.

Und so müssen die Eltern nun beim Jobcenter Gutscheine beantragen. Anspruchsberechtigt sind die etwa 2,5 Millionen Kinder von Geringverdienern und Hartz-IV-Beziehern. Die Zuschüsse von monatlich zehn Euro müssen reichen, um Mitgliedsbeiträge für Sportvereine oder Musikunterricht abzudecken. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der Ministerin funktioniert das komplizierte Antragsverfahren nicht richtig. »Insbesondere die Sport- und Musikgutscheine entpuppen sich als Luftnummer«, bemängelt Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Ein Blick auf die Zahlen gibt ihm recht: Nur für 14 bis 21 Prozent der Kinder wurden jene zehn Euro pro Monat beantragt, die für Vereinsbeiträge oder Musikunterricht vorgesehen sind. Noch mieser fällt die Bilanz bei der Nachhilfe aus. Hier stellten nur fünf Prozent der Eltern einen Antrag. Die Zurückhaltung ist leicht erklärbar: Geld gibt es nur, wenn das Kind versetzungsgefährdet ist.

Wie schwer die Umsetzung in der Praxis ist, zeigt der ebenfalls im Paket enthaltene Zuschuss zum Schulessen. Die Kosten dafür werden bis auf einen Eigenanteil von einem Euro pro Tag übernommen. Allerdings nur, wenn in der Schule ein warmes Essen angeboten wird. Doch viele Schulen verfügen über keine Kantine. Außerdem kollidiert der Zuschuss mit Programmen der Länder und Kommunen. Immerhin hübscht das Schulessen die desaströse Bilanz etwas auf. Weil viele die Mahlzeiten beantragen, konnte man am Donnerstag vermelden, dass 53 Prozent der berechtigten Familien Leistungen aus dem Paket nachgefragt haben.

Deutlich schlechter fällt die Bilanz aus, wenn man die nicht abgerufenen Mittel betracht. Einer Analyse des Deutschen Gewerkschaftsbundes zufolge blieben im vergangenen Jahr vier Fünftel der bereitgestellten 626 Millionen Euro einfach liegen. Kein Wunder, dass das größte Lob gestern von Landkreisen und Städten kam. Denn sie dürfen die vom Bund bereitgestellten und nicht abgerufenen Millionen behalten und anderweitig verwenden. Zwar betonte Ministerin von der Leyen mehrmals, dass ihr Paket keinesfalls das viel beschworene »bürokratische Monster« sei, doch auch hier sieht die Realität anders aus. Allein die Verwaltungskosten verschlingen beinahe ein Drittel des Budgets. LINKE-Vize Katja Kipping forderte deshalb eine Ende des »bürokratischen Unsinns«. »Was unsere Kinder und Jugendlichen wirklich brauchen, ist eine bedarfsunabhängige Kindergrundsicherung«, so Kipping.


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