Ungehorsam, die Macht des Unheils
Katholischer Klerus alarmiert über Reform-Pfarrer-Bewegung
Helmut Schüller kommt viel herum Der Kirchenmann, Pfarrer für 2500 Seelen und Wiener Uni-Kaplan, ist in Österreich eine Persönlichkeit, seit er vor einem Jahrzehnt vom konservativen Wiener Erzbischof Schönborn als Generalvikar abgesetzt wurde. Auch international ist er gefragt: In Dublin sorgte im Herbst ein Auftritt vor einer Priester-Organisation für Aufsehen. Nicht geschafft hat es Schüller dagegen nach Soltau: InNiedersachsen fiel eine Diskussion mit Schüller kürzlich aus. Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle hatte interveniert. Der dortige Domprälat sagte im NDR, beim »Ungehorsam« ende der »Dialog«.
Kirche ist direkt von Gott
Nun haben die Zensoren den Segen des Papstes. Am Gründonnerstag wandte sich dieser gegen den »Ungehorsam« in der Kirche - und bezog sich damit deutlich auf den Wiener Magister Schüller. Es gehe nicht an, »die Kirche nach unseren Wünschen und Vorstellungen umzuwandeln.« Denn die eine heilige Kirche kommt, wie sie ist, direkt von Gott.
Dabei sind die Thesen, die Schüller vor etwa einem Jahr in einem »Aufruf zum Ungehorsam«, veröffentlichte, tatsächlich wenig radikal. Schüller und die mittlerweile 350 offenen Unterstützer der »Pfarrer-Initiative« in Österreich befürchten, zu »reisenden Zelebranten« zu werden. Sie wollen nicht »immer weitere Pfarreien« übernehmen. Und sie »sagen Nein, wenn das Kirchenrecht ein allzu hartes und unbarmherziges Urteil spricht: Über Geschiedene, die eine neue Ehe wagen, über gleichgeschlechtlich Liebende, die in Partnerschaft leben, über Priester, die am Zölibat scheitern und deshalb eine Beziehung eingehen (...)«
Die Pfarrer-Initiative kratzt nicht an den Grundfesten der Kirche. In Tirol, wo sich eine Vertreterin der Basisbewegung »Wir sind Kirche« für eine Messe ohne Priester verantworten muss, distanzierten sich die lokalen Initiativ-Pfarrer. Wenn die Revolution so aussehe wie er, sei es schlecht um sie bestellt, hat Schüller dem katholischen Magazin »The Tablet« gesagt.
Es ist gerade diese Bodenständigkeit, die den Klerus alarmiert. Der sportliche Schüller kommt nicht als dissidenter Theologe mit wilden Ideen daher, sondern als Mann der Praxis, der offene Worte spricht. Kardinal Schönborn hat alle Initiativ-Pfarrer zum Kirchenaustritt aufgefordert.
Im Alpenland steht die Kirche unter Druck. Kurz vor Schüllers »Aufruf« war etwa ein Waldbesitzer Boulevardthema, der von Geistlichen geführte Jugendgruppen auf seinem Grundstück stoppte. Das könne er nicht länger verantworten. Gerade engagierte Pfarrer fühlten sich gedemütigt - von der Borniertheit ihrer untätigen Führung.
Doch auch in der Bundesrepublik hat der Wiener einen Nerv getroffen: Drei Dutzend süddeutsche Pfarrer bekennen sich bereits zum deutschen Ableger der Pfarrer-Initiative. Und auch der deutsche Klerus ist alarmiert: Vor dem Papst lederte im Februar bereits sein Regensburger Bischof Ludwig Müller gegen die »ganz und gar unchristlichen« Abweichler: »Der Ungehorsam ist eine Macht, die viel Unheil in unsere Welt gebracht hat«. Müller begründet das mit dem Hebräerbrief, in dem es darum geht, dass Gottes Sohn nur durch Demut, Leiden und Gehorsam erhöht worden sei. In diesem Kontext kann man das durchaus zynisch finden.
Eine Stimme im »Dialog«
Die Hüter der Kirchenmacht sind nervös. Die Pfarrer-Initiative wäre für sie, sollte sie sich Gehör verschaffen, eine unwillkommende Stimme in dem »Dialogprozess«, mit dem die Kirche hierzulande ihre Glaubwürdigkeitsprobleme aufzuarbeiten versucht. Vielerorts, klagt die Initative, verlaufe dieser Prozess von oben nach unten, mancherorts aber auch auf Augenhöhe. »Spannend bleibt der Dialog dort, wo ehrlich um das Verhältnis der Kirche zur Welt von heute gerungen wird«, resümiert der Jesuit Klaus Beurle, einer der Frontfiguren der Pfarrer-Initiative in Deutschland.
Und wer es gut meint mit der heiligen Kirche, muss hoffen, dass ihm jemand zuhört.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.