Jeder gegen jeden
FDP: Spitzenpolitiker geben sich gegenseitig Schuld an Krise / Kubicki rechnet mit Parteichef Rösler ab
Berlin (Agenturen/nd). Wahlkämpfer Wolfgang Kubicki übte scharfe Kritik an Philip Röslers Versuch, der FDP mit dem Leitbegriff »Wachstum« ein neues Profil zu geben. »So wie die FDP den Begriff Wachstum derzeit propagiert, können die Leute damit wenig anfangen«, so der liberale Spitzenkandidat bei der Wahl in Schleswig Holstein. »Was soll das denn sein? Familienwachstum? Haarwachstum?« Es mangele daran, »diese abstrakten Begriffe mit nachvollziehbaren Inhalten« zu füllen.
Kubicki beklagte, dass sich in der Öffentlichkeit ein Zerrbild der FDP festgesetzt habe. Die Kommunikation der Bundespartei mit den Wählern sei »unterirdisch«, kritisierte er. »Es ist gelungen, die FDP als kaltherzig, neoliberal, nicht-mitfühlend darzustellen.« Konkret kritisierte Kubicki das Nein der FDP zu einer Finanztransaktionssteuer.
Parteichef Rösler führte derweil die Probleme auf die thematische Einengung der Liberalen unter dem früheren Vorsitzenden Westerwelle zurück. »Die FDP hat sich zu lange auf das Thema Steuersenkung reduziert«, erklärte er. »Den Liberalismus auf die Formel mehr netto vom brutto zu verkürzen, das ist zu wenig.«
Rösler nahm für sich in Anspruch, der Partei neue Themen erschlossen zu haben. Er habe die FDP »inhaltlich neu ausgerichtet«. Der Liberalismus solle sich nun »in seiner ganzen Bandbreite entfalten«. Sein Wachstumsbegriff umfasse Themen wie Schuldenabbau und Finanzmarkt-Regulierung ebenso wie Bildung, Kultur und familienpolitische Fragen.
Rösler hatte zuletzt versucht, das Heft in die Hand zu nehmen. Er setzte sich im Streit um Joachim Gauck gegen CDU-Kanzlerin Angela Merkel durch. Wegen der hohen Spritpreise brachte der Wirtschaftsminister die populäre Erhöhung der Pendlerpauschale ins Spiel, biss sich damit aber bei Merkel bislang die Zähne aus.
In der FDP-Bundestagsfraktion wurden die Schuldzuweisungen kritisiert. »Wenn jetzt liberales Spitzenpersonal mit faulen Eiern aufeinander wirft, stinken wir am Ende alle«, kritisierte der Abgeordnete Erwin Lotter.
Mit Genugtuung nahm hingegen die Opposition die parteiinterne FDP-Debatte zur Kenntnis. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann wertete Röslers Äußerungen als »billigen Versuch«, sich »auf Kosten seines Vorgängers zu profilieren«. Der Beweis, »ob Philipp Rösler wie Guido Westerwelle Wahlen gewinnen kann, steht noch aus«. Der Parlamentsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, spottete: »Auf dem Hühnerhof der Liberalen herrscht wildes Gegacker und jeder legt dem anderen ein buntes Ei ins Nest.«
In zwei Wochen trifft sich die FDP zum Bundesparteitag in Karlsruhe, am 6. und 13. Mai stehen dann die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen an, wo die FDP um den Wiedereinzug in die Landtage bangen muss.
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