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Gaslicht aus in Berlin?
Peter Traichel ist Geschäftsführer der Baukammer Berlin
Herr Traichel, die Berliner Baukammer ist gegen Pläne des Senats, die historischen Gaslaternen in der Hauptstadt abzureißen und durch Elektroleuchten zu ersetzen. Damit befindet sie sich in guter Gesellschaft mit Vereinen wie »Pro Gaslicht« und »Denk mal an Berlin«. Wird Berlin bei so viel Expertenschelte ein Licht aufgehen?
Traichel: Die Baukammer steht den Plänen des Berliner Senats, die rund 44 000 Gaslaternen abzuschaffen, sehr kritisch gegenüber. Wir halten diese Beleuchtung für einzigartig. Dass der Senat auf die Kritik nicht eingeht, mag daran liegen, dass ihm Argumente fehlen, den Abriss der Gasleuchten begründen zu können.
Weshalb sollten diese Straßenlaternen erhalten bleiben?
Diese Fülle von verschiedenartigen Gasleuchten ist ein kulturelles Erbe der Stadt. Sie sind einzigartig in Deutschland und, so viel ich weiß, sogar in Europa. Obendrein erlangten sie vor kurzem eine neue Aktualität. Bis zur Umweltkatastrophe in Fukushima ging man ja davon aus, dass Strom immer und mehr oder weniger preiswert zu haben ist. Das hat sich mit Fukushima schlagartig geändert.
Jetzt gibt es eine ganz neue Sichtweise. Ich glaube nicht, dass der Senat diese Sichtweise in seine Überlegungen einbezogen hat. Vielleicht will er sie auch nicht einbeziehen. Wir wollen vorbildlich sein, gehen weg vom Atomstrom, gehen weg vom Braunkohlestrom. Damit sind wir zwingend auf alternative Energien angewiesen. Für mich ist es unbegreiflich, nun den funktionierenden, mit dem Naturprodukt Gas betriebenen Laternenbestand abzureißen.
Die Stadt verweist auf enorme Einsparungen nach Umstellung auf Elektrifizierung. Ist das kein Argument?
Ich kann nicht erkennen, wie sich diese Einsparungen errechnen. Unseres Erachtens kostet die Umrüstung von Gas auf Strom rund 170 Millionen Euro. Es gibt Berechnungen aus Düsseldorf und Frankfurt am Main, wonach beim Abriss 11 000 Euro Kosten pro Gaslaterne entstehen. Berlin geht von 3000 bis 4000 Euro aus. Das halte ich für sehr unterschätzt. Obendrein müssten 2750 Straßen in Berlin aufgerissen und neu verkabelt werden. In die alten Kandelaber können nicht einfach neue Leitungen gelegt werden.
Sie warnen als Baukammer davor, diese Gaslaternen als weltweit einmaliges kulturelles Erbe aufs Spiel zu setzen. Es soll sogar geprüft werden, ob die historischen Leuchten ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen werden.
Vor etwa zweieinhalb Jahren versuchte man in Düsseldorf einen Antrag zu stellen, die dortige Gasbeleuchtung als Weltkulturerbe zu klassifizieren. Dieser Antrag ist aber wohl in der Düsseldorfer Verwaltung versandet und nie weiter behandelt worden. Wir in Berlin sind mit diesem Thema ebenso vertraut wie die Stiftung Denkmalschutz. Es wird wohl in dieser Richtung daran gearbeitet.
Das dauert aber?
Dass sich da kurzfristig etwas tut, bezweifle ich. Den ersten Schritt sollten aber wir in Berlin tun. Wir reden hier immer nur von den Kosten und gehen nie auf das kulturelle Erbe ein, das die Stadt übernommen hat. Seit 1826 gibt es in Berlin Gaslaternen, und die Stadt hat auch eine Verantwortung, diesen touristischen Magneten zu bewahren. Hier ist auch das Engagement des Berliner Landesdenkmalamtes gefragt.
Fragen: Andreas Heinz
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