Die Fassade ist schon wieder perfekt

Entdeckungsreise mit Bus und Bahn zu märkischen Schlössern und Herrenhäusern / Schloss Groß Rietz wird zur Zeit aufwändig saniert und wartet auf neue Nutzer

  • Cornelia Höhling
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Die Anschrift »Nebenstraße 1« lässt nicht gerade hochherrschaftliche Gemäuer vermuten. Und doch handelt es sich bei der rosa Fassade hinter dem kleinen Friedhof an der Dorfkirche von Groß Rietz unverkennbar um ein Schloss. Der alte Adelssitz liegt etwa 90 Kilometer südöstlich von Berlin, unweit von Beeskow. Als Hausmeister Joachim Kerst einen Blick hinter die aufwändig restaurierte Fassade des zweigeschossigen Barockbaus gewährt, bleibt nicht viel von der Pracht. Verschiedene Nutzungen seit 1945 hinterließen ihre Spuren: eingezogene Zwischendecken und Trennwände für Wohnungen und Kindergarten beispielsweise. »Im Keller war der Jugendklub untergebracht«, erklärt der 66-Jährige den dunkelblauen Anstrich mit gelben Sternchen an der Gewölbedecke. Reste erhaltener Fliesen im Nebenraum lassen die einstige Gutsküche erkennen. Die neue Heizung ist schon installiert. An den Wänden des ehemaligen Gartensaals stehen zärtliche Lippenbekenntnisse wie »I love you so«. Auch hier war mal der Jugendklub drin und die Turnhalle. Seit ihrer Gründung vor zehn Jahren kümmert sich die Brandenburgische Schlösser GmbH um den Erhalt des Gebäudes aus dem Jahr 1700, das Geschäftsführer Wolfgang Illert zu den »hervorragendsten Beispielen ländlicher Schlossbaukunst in der Mark« zählt. Rund drei Millionen Euro wurden bisher in das Schloss und den fünf Hektar großen Park investiert. Die Fußböden sind allesamt neu. Die Stuckdecken wurden bereits restauriert. Auch den Putten am Alkoven des ehemaligen Schlafzimmers im Erdgeschoss gaben die Stuckateure die Füße zurück. Es bleibt noch viel zu tun. Doch das Geld aus Mitteln des Landes und der Stiftung Denkmalschutz ist begrenzt. »Es muss für alle 14 von uns betreuten Herrenhäuser reichen«, so Illert. Die dreiarmige Holztreppe mit dem Balustergeländer ähnelt der Treppenhausanlage von Schloss Oranienbaum bei Dessau (um 1690). Möglicherweise waren die gleichen Baumeister am Werk. Schloss Groß Rietz geht zurück auf den Hofmarschall Friedrich I., Hans-Georg von der Marwitz (1638-1704), der zugleich in Anhalt-Zerbst Geheimer Rat war. Ein Nachfahre verkaufte den Besitz, der dann durch Heirat 1861 wieder an das alte märkische Adelsgeschlecht derer von der Marwitz zurückfiel. Jetzt steht wieder ein Hans-Georg von der Marwitz mit dem Schloss in Verbindung, obwohl der 48-Jährige beteuert: »Es gehört mir nicht. Ich bin Realist. Was sollte ich mit dem Schloss? Allein die Heizkosten belaufen sich im Jahr auf 60000 Euro. Das war auch für eine Josefine Edle von Krepl zu viel.« Die Berliner Modesammlerin wollte hier nach der Wende ein Modemuseum einrichten. Trotzdem zog der blaublütige Maschinenbauingenieur vor vier Jahren aus München nach Groß Rietz, um Landwirt zu werden. Sein Vater Hans-Günther war hier aufgewachsen, 17-jährig 1945 vertrieben und als Alleinerbe im Zuge der Bodenreform enteignet worden. Er klagte bis nach Karlsruhe auf Rückgabe, was ihm nicht eben Freunde in der 400-Seelen-Gemeinde einbrachte. Der enteignete Schlossherr kaufte eines der ehemaligen Wirtschaftsgebäude zum Wohnen, pachtete 230 Hektar des einstmals 1600 Hektar großen Gutes zum Arbeiten und wartete auf seine Gerechtigkeit als »wahrer Besitzer«. So wie das Schloss auf tragfähige Nutzungskonzepte wartet. Im Februar 2002 fand der verbitterte alte Mann seinen Frieden in der heimischen Erde der Familiengrabstätte auf dem Friedhof nebenan. Das Schild mit der Aufschrift »Nutzer gesucht für Schloss Groß Rietz« steht weite...

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