Die Inschrift des blutroten Fadens
IX. Internationales Keramiksymposium in Römhild
Die Großmutter: Ihre letzten Lebenszeichen stammen aus dem Konzentrationslager Buchenwald. Der Enkel: David Jones, Künstler, Buchautor. Vergangenes Jahr reiste er von Warwickshire nach Thüringen, eingeladen zum IX. Internationalen Keramiksymposium in Römhild. Entstanden ist in dieser Zeit eine mehrteilige Arbeit, die sich mit den Verbrechen der Nazi-Schergen und dem Schicksal der Gefangenen auseinandersetzt. In ausrangierte Industrieregale packt er Urnen, Ringe, Herzen aus Ton und Porzellan, die einen persönlichen Abdruck tragen. Sie fungieren als Symbol für die Bilder, die von Buchenwald in die Welt gingen - Berge von Haaren, Ringen und toten Häftlingen. Ähnlich im Thema - und ebenso in einer Ausstellung in Schloss Glücksburg zu sehen - die Installation der französischen Keramikerin Daniela Schlagenhauf »Der rote Faden«: Tücher aus engobierten Steinzeugpapier hängen auf einer Wäscheleine. Ein Gedicht ist ihnen eingeschrieben, das von der beklemmenden Atmosphäre des Ortes auf dem Ettersberg spricht. Die Wäschestücke können noch so oft gewaschen werden, das Blut wird nie verschwinden.
Acht Künstler waren im Sommer 2011 nach Römhild zu einem Austausch eingeladen, der eine große Tradition hat. Das 1975 ins Leben gerufene Internationale Keramiksymposium entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zu einem der begehrtesten Arbeitstreffen für diese Kunstsparte. Römhild hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Keramik vom Gefäß befreite und in Richtung freie Kunst entwickelte. Beispiele dafür, wie Vasen, die zum Objekt wurden, finden sich in der Dauerausstellung von Schloss Glücksburg, in der ausgewählte Arbeiten aller Symposien zu sehen sind.
In den späten 1980er Jahren galten Keramiker der DDR als international führend. Nach 1990 gab es zunächst keine Struktur, mit der Keramiksymposien auf diesem Niveau unter marktwirtschaftlichen Bedingungen hätten weitergeführt werden können. Doch im letzten Jahr gelang es dem eigens dafür gegründeten Verein mit einer kompetenten Jury und guten Arbeits- und Lebensbedingungen, Keramiker aus allen Teilen der Welt wieder für das kleine Städtchen zu interessieren.
Die Ausgewählten vertreten sehr unterschiedliche Positionen. Aus Steinzeug baute Qi Wang aus China kraftvolle Pflanzen, die in Blumentöpfen stehen: »Ich sehe den Blumentopf als Raum, in dem die Menschen heute leben - physikalisch oder soziologisch oder psychologisch«. Seine Kollegin Chih Chi Hsu gehört zu den hoffnungsvollsten Nachwuchstalenten in Taiwan. Ihre organischen Gebilde aus Paperclay, die sie als »Gehäuse« bezeichnet, scheinen zu schweben. Der Serbe Velimir Vukicevic, der in Belgrad an der Hochschule für Bildende Künste als Professor tätig ist, nahm an mehreren Workshops in Asien teil, die ihn sehr inspirierten. Auch er entschied sich für die Arbeit mit einer Porzellanmasse und baute daraus Behälter, die er mit japanischen Schriftzeichen versah. Von bewegten Weizenfeldern in der Rhön war der US-amerikanische Künstler Marc Leuthold so sehr fasziniert, dass er seinen Diametern - großen runden Objekten - ihre Struktur einverleibte. Die einzige deutsche Teilnehmerin, Kyra Spieker, schuf ein Wandobjekt, das aus mehreren Modulen besteht. Ihr Thema ist die baugebundene Kunst.
Die Präsentation der Arbeiten im Römhilder Renaissanceschloss brauchte allerdings mehr Raum. Das macht vor allem die Arbeit von Aysegül Eren (Belgien) deutlich. Ihre Tonskulptur aus Terrakotta und Metall will eine Bewegung evozieren, die Platz braucht.
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