Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

Das sächsische Kloster Altzella würde gern als Entstehungsort des Sachsenspiegels gelten

  • Christiane Raatz, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Sachsenspiegel gilt als ältestes und bedeutendstes Rechtsbuch des Mittelalters. Eine neue Dauerausstellung zeigt das Kloster Altzella als Wiege der kostbaren Handschrift. Diese These ist allerdings umstritten.

Nossen. Diese Sprüche kennt wohl jeder: »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst« oder »Wo sich der Esel wälzt, muss er Haare lassen«. Woher sie stammen, wissen nur die wenigsten. Die Weisheiten wurden vor knapp 800 Jahren im Sachsenspiegel niedergeschrieben - dem wohl bedeutendsten Rechtsbuch des Mittelalters.

»Es wird heute noch so oft daraus zitiert, und trotzdem kennen es viele nicht«, sagt die Leiterin des sächsischen Klosters Altzella bei Nossen, Ingrid Welzig. Sie hofft, dass sich das bald ändert. Denn vom 15. April an zeigt das ehemalige Hauskloster der Wettiner eine neue Dauerausstellung.

Repgow und die Urkunde

Im ehemaligen Bibliothekssaal, einem hell getünchten Raum mit imposanter Holzbalkendecke, werden derzeit Medienstationen und Vitrinen aufgebaut. Noch lagert das Herz der Ausstellung verschlossen in einem Holzkistchen: ein Faksimile der Bilderhandschrift, die im Original in der Dresdner Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) aufbewahrt wird. Nur noch vier illustrierte Exemplare des Sachsenspiegels existieren heute noch - und die Dresdner Handschrift gilt mit 924 Bildstreifen als das prachtvollste Werk. Bis heute rätseln Experten über den Entstehungsort. Die Ausstellung zeigt das Kloster Altzella als Wiege des Sachsenspiegels. Neue Forschungen hätten ergeben, dass das Rechtsbuch hier entstanden sein könnte. »Sämtliche Bücher, auf die sich der Autor Eike von Repgow stützte, gab es in dieser Zusammenstellung nur hier in der Bibliothek«, erklärt Klostersprecher Uli Kretzschmar. So werde etwa auch eine Urkunde gezeigt, in der von Repgow erwähnt werde - als Beweis, dass es Verbindungen nach Altzella gegeben habe. Zwischen 1220 und 1235 soll der Autor erstmals die Rechtsgewohnheiten der Sachsen aufgeschrieben haben, darunter etwa das Lehnrecht, Strafrecht sowie Familien- und Erbrecht.

Für das Kloster als Entstehungsort spricht auch, dass die ehemalige Bibliothek nach eigenen Angaben die bedeutendste in Mittel- und Norddeutschland war. Knapp 1000 Bände hat es damals gegeben. »Eine gewaltige Bibliothek und ein Zentrum für die Gelehrten«, erzählt Kretzschmar.

Nur für ein paar Wochen

Von der These, dass das Buch auf Altzella geschrieben wurde, hält der Leiter der Sammlungen der SLUB, Frank Aurich, allerdings nur wenig: »Niemand kann heute mehr sagen, dass der Schreiber genau auf jenem Schemel, genau auf der und der Burg gesessen hat.« Man müsse sich damit abfinden, dass es dazu keine seriösen Befunde gebe. Lediglich für den meißnischen Raum als Entstehungsort ließen sich Hinweise finden. Die Dresdner Bilderhandschrift als Abschrift des Sachsenspiegels wurde nach Bibliotheksangaben zwischen 1295 und 1363 in eben dieser Region verfasst.

Die wertvolle Handschrift ist immer nur einige Wochen pro Jahr in der SLUB zu sehen. »Das Pergament ist hochempfindlich«, erklärt Aurich. Aus konservatorischen Gründen dürfe das Stück immer nur befristet dem Licht ausgesetzt werden. Ansonsten werde der Sachsenspiegel geschlossen und im Dunklen aufbewahrt.

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