Thälmann in Stein gemeißelt

Protest in Hohen Neuendorf / Fortschritte für würdige Stele in Ziegenhals

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Noch steht der Blumenkübel am Thälmannplatz, im Hintergrund die alte Hitler-Eiche.
Noch steht der Blumenkübel am Thälmannplatz, im Hintergrund die alte Hitler-Eiche.

»Geschichte wird hier entwidmet und der Thälmannplatz entweiht«, kritisierte Ullrich Richter, Vorsitzender der LINKEN in Hohen Neuendorf. Auf Initiative der CDU beschloss die Stadtverordnetenversammlung gegen die Stimmen der Sozialisten, die kleine Grünanlage am S-Bahnhof in Müllheimer Platz umzubenennen. Doch bevor es soweit ist, lud die LINKE am Montagabend zur Protestkundgebung. Der Termin fiel absichtlich auf den 16. April - den Geburtstag des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann.

Dem Aufruf folgten zirka 50 Menschen; viele Genossen, aber auch andere Einwohner der Kommune im Norden Berlins, viele ältere Leute, aber auch jüngere und sogar Kinder waren dabei. Fast alle hatten Sträuße mit Rosen oder andere Gebinde mitgebracht und legten sie an den Blumenkübel mit der Aufschrift »Thälmannplatz«.

Es sei der CDU nicht wirklich darum gegangen, die badische Partnerstadt Müllheim zu würdigen, erklärte Richter. Man habe den Namen des Kommunisten Thälmann weghaben wollen. Einen derart ungeheuerlichen Vorgang möchte die LINKE nicht wieder zulassen. Falls die Rosa-Luxemburg-Straße ebenfalls zur Disposition gestellt werden sollte - FDP-Kommunalpolitiker Christian Erhardt-Maciejewski hatte laut darüber nachgedacht - dann werde die LINKE einen Bürgerentscheid dazu fordern, sagte Richter.

Die Sozialisten sind der Ansicht, dass die Einwohner von Hohen Neuendorf dies nicht wollen und mehrheitlich mit der Umbenennung des Thälmannplatzes auch nicht einverstanden sind. Ein Genosse wusste am Montagabend zu berichten, dass sein Nachbar die Umbenennung auch falsch finde, obwohl dieser FDP-Mitglied sei. Denn Ernst Thälmann sei ein Opfer des Faschismus. Ein alter Herr betonte: »Er ist von den Nazis ermordet worden.«

Nach Angaben des Stadtverordneten Marian Przybilla (LINKE) hatte die damalige Gemeindevertretung am 7. Oktober 1933 beschlossen, das Gelände Adolf-Hitler-Platz zu nennen und dort eine Adolf-Hitler-Eiche zu pflanzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte die Umbenennung, ob gleich in Thälmannplatz und wann genau dies gewesen ist, habe sich nicht mehr ermitteln lassen, erläuterte Przybilla. Es wäre auch denkbar, dass es zwischendurch noch eine andere Bezeichnung gab. Jedenfalls sei der Thälmannplatz auf einem Stadtplan vom 1. Juli 1946 bereits verzeichnet und in den Wochenberichten an die sowjetische Kommandantur für die Zeit vom 1. bis 13. Juli 1945 sei zu lesen, dass in Hohen Neuendorf faschistische Straßenschilder entfernt und durch alte beziehungsweise neutrale Namen ersetzt werden.

Die Hitler-Eiche steht heute noch. Sie ist groß gewachsen. Weit breitet sie ihre Äste aus. Mit bitterer Ironie hat Przybilla verlangt, den Baum nun zu fällen. Ernst gemeint hat er dies aber nicht. Er ist ein engagierter Naturschützer. Die Eiche soll stehen bleiben, fanden auch andere Teilnehmer der Kundgebung. Sie sei schön und könne nichts für ihren Namensgeber.

Fast zeitgleich tagte am anderen Ende Berlins das Stadtparlament von Königs Wusterhausen. Anders als ursprünglich vorgesehen wurde der umstrittene Antrag zu Ziegenhals nicht abgestimmt, sondern bereits im Vorfeld von der Tagesordnung genommen. Der Antrag hatte verlangt, eine geplante Stele gegenüber der abgerissenen Ernst-Thälmann-Gedenkstätte im Ortsteil Ziegenhals mit der alles verwischenden Inschrift »In Erinnerung an den Widerstand gegen Diktatur und Gewaltherrschaft« zu versehen.

LINKE-Stadtchef Michael Wippold begegnete dieser Zumutung mit der Idee, dass die LINKE und Verbündete auf die bewilligten 10 000 Euro von der Stadt verzichten und sich lieber selbst um die Stele kümmern. Ein Aktionsbündnis, dem sich etwa die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, die Europäische Linke und das Bündnis gegen Rechts anschlossen, will Spenden sammeln und für eine würdige Inschrift sorgen. Der Text soll darauf hinweisen, dass es am 7. Februar 1933 in Ziegenhals eine illegale KPD-Tagung gab, die als Beginn des organisierten Widerstands gegen die Herrschaft des Faschismus gilt.

Die anderen Fraktionen seien auf den Vorschlag eingegangen, berichtete Wippold gestern. Ein entsprechender Antrag der Linksfraktion werde vorbereitet und voraussichtlich in zwei Monaten behandelt. Viele nd-Leser erkundigten sich schon nach dem Spendenkonto. Ein solches Konto ist aber noch nicht eingerichtet. Sobald dies geschieht, wird nd die Bankverbindung veröffentlichen. Die 10 000 Euro soll die Stadt für Tafeln am Schütte-Lanz-Gewerbepark im Königs Wusterhausener Ortsteil Zeesen verwenden. Die Tafeln sollen informieren, wer Professor Johann Heinrich Schütte war - nach Ansicht von Frank Rauhut vom Bündnis gegen Rechts ein Rüstungsprofiteur und Hitleranhänger. Schütte ließ in seiner Werft in Zeesen Luftschiffe bauen, die von den kaiserlichen Truppen im Ersten Weltkrieg gegen England eingesetzt wurden.

Doch zurück nach Hohen Neuendorf: Dass es dort statt des Thälmannplatzes künftig einen Müllheimer Platz geben soll, sprach sich auch in Müllheim herum. Die »Badische Zeitung« berichtete. Daraufhin meldete sich die Müllheimer LINKE bei Przybilla und bat ihn zu einer Veranstaltung über Ernst Thälmann. Ein Datum gibt es noch nicht. Als fast alle schon gegangen waren, warf Przybilla am Montag noch einen Blick zurück zum Blumenkübel. »Ich frage mich, was aus dem Stein wird«, überlegte er - und dachte über einen geeigneten Ort nach.

Kundgebung des Freundeskreises der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte, Sonntag, 11.30 Uhr, Seestraße 27 in Ziegenhals

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