Gefängnis ohne Kontext

Museum zu Anstalt des sowjetischen Militärgeheimdienstes neu eröffnet

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Dem Gegenstand wenig angemessen waren sie schon, die Attribute des Stehbanketts: weiße Decken, ausgewähltes Geschirr, silberne Löffel. In diesem Rahmen wurde gestern die Potsdamer Gedenkstätte Leistikowstraße nach umfangreicher Sanierung und Neugestaltung wiedereröffnet.

Das Haus diente nach dem Zweiten Weltkrieg der sowjetischen Besatzungsmacht als Untersuchungsgefängnis. Auf drei Etagen im »authentischsten Gefängnis dieser Art, das es in Deutschland gibt«, wie Leiterin Ines Reich sagt, werden rund 400 Exponate präsentiert, um Besuchern die Lebensbedingungen der Häftlinge nahezubringen. Zwischen 1945 und 1955 wurden auch Deutsche dort eingesperrt, und auf 19 Schicksale wird detailliert eingegangen. Aufwändige Videoanlagen ermöglichen, dass Betroffene selbst zu Wort kommen. Über 900 000 Euro kostete der Umbau.

Bei der Eröffnungszeremonie lasen Kinder aus Häftlingsberichten vor, es wurden Kränze niedergelegt. Diese Gedenkstätte werde »die Erinnerung an die vielen Oper des Stalinismus wachhalten«, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Kulturstaatssekretär Martin Gorholt ergänzte: »Die Ausstellung leistet einen wichtigen Beitrag für die historisch-politische Bildung.«

Doch fragt man sich, wie das möglich sein soll, denn ein entscheidendes Manko besteht im völligen Verzicht auf die historische Einordnung der eindringlich präsentierten Schicksale. Nirgends wird explizit deutlich, dass keines der hier begangenen Verbrechen hätte geschehen können, wenn nicht zuvor Hitlerdeutschland die Sowjetunion angegriffen und unfassbar verwüstet hätte. Es wäre keine Relativierung der Verfehlungen der Besatzungsmacht an Potsdamer Bürgern, wenn die Ausstellung auch auf die 27 Millionen Kriegsopfer der Sowjetunion hingewiesen hätte. Hass und Rachegefühle waren danach eigentlich unausweichlich.

Der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, ist sich des Problems bewusst. Immerhin wird an einer Stelle in der Ausstellung der Weg einer sowjetischen Einheit nach Potsdam dargestellt, sagte er. Schon das aber habe Kampf gekostet und böse Stimmen eingetragen. Damit spielte Morsch auf die Auseinandersetzungen zwischen der Gedenkstättenleitung und Häftlingsverbänden an. Der Streit gipfelte in einem tätlichen Angriff auf Gedenkstättenchefin Ines Reich, und er ist durchaus nicht beendet. Gestern gab es Proteste vor dem Haus, weil nun nach Ansicht einiger einstiger Häftlinge in Potsdam ein »KGB-Museum« stehe und die Opfer angeblich zu kurz kommen und unterkühlt betrachtet werden. Hier stoße man auf ein unterschiedliches Verständnis von Museum, sagte Morsch. »Weinen bildet nicht.« Der Historiker müsse auf den Unterschied zwischen dem KGB und Militärgeheimdienst Smersch hinweisen.

Morsch zufolge haben Zeitzeugen im Gedenken ihren Platz und sie könnten vieles sinnfällig machen. Man dürfe aber nicht hinnehmen, dass sie Besuchern Dinge erklären, von denen sie keine Ahnung haben. Als herausragendes Beispiel einer kritikwürdigen Präsentation nannte Morsch die Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen. Seit es die rot-rote Landesregierung gibt, nehme die Auseinandersetzung an Schärfe zu, erklärte der Direktor. Ihm wäre es lieber, wenn sich die Tagespolitik aus der Erinnerungskultur heraushalten würde, denn dieser Einfluss »tut der Erinnerung nicht gut«. Damit spielte er vor allem auf das aufdringliche Treiben der FDP-Abgeordneten Linda Teuteberg an.

Leider fehlen in der neuen Gedenkstätte auch Hinweise auf den Kalten Krieg, der von allen Seiten mit den härtesten Bandagen geführt worden ist. Außerdem fehlt weitgehend eine Information zu den juristischen Grundlagen. Das über Deutschland verhängte Recht des alliierten Kontrollrates verbot jedem Deutschen streng, Maßnahmen der Besatzungsmächte auch nur zu kritisieren. Dieses Recht gestattete es, als Gegner wahrgenommene Menschen zu verhaften. Die unmenschlichen Haftbedingungen, Kälte und Hunger in der Leistikowstraße waren davon natürlich nicht gedeckt.

Zeitgeschichte, sei »Geschichte, die noch raucht«, sagte Morsch. Nicht alle einstigen Häftlinge betätigen sich jedoch als Kritiker. Der über 80-jährige Friedrich Klausch warb gestern für Verständigung und für das Ziel, nicht weiter Hass zu sähen. Er sei mit der Darstellung zufrieden, sagte er.

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