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Rückschlag für Freies Radio

Neuer Programmplan für die nichtkommerzielle Radioplattform 88vier / Bekanntheit sehr zufriedenstellend

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 4 Min.

»Unsere langen Mühen werden nicht honoriert«, erklärt Jörg Depta stellvertretend für viele Radioleute angesichts des neuesten Beschlusses der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb). 88vier, die Plattform für nichtkommerzielle Radioanbieter aus Berlin und Brandenburg, bekommt ab dem 21. Mai ein neues Sendeschema. Die Gruppen, die eigentlich ein Freies Radio wollen und mit gewichtigen Argumenten um eine Ausweitung ihrer 88vier-Sendezeit ersuchten, wurden deutlich geschröpft. Für Potsdam sei der Beschluss gar eine »Tragödie«, weil »Frrapó - Freies Radio Potsdam« nicht mehr dabei ist, sagt Depta von Pi Radio, einem Sammelbecken vieler Radiogruppen.

Der Sender um den es geht heißt nach seiner Hauptfrequenz: 88,4 Mhz. Im Südwesten Berlins und in Teilen von Potsdam ist er auf 90,7 MHz empfangbar. Er wird von der mabb unterhalten, um verschiedenen Formaten von nichtkommerziellem Radio eine Sendemöglichkeit zu geben. Die bisher jährliche Neuvergabe der Sendezeiten durch den Medienrat stand am vergangenen Donnerstag an. Zwei wichtige Neuerungen waren erbeten worden: Zum einen meinten alle zehn 88vier-Lizenznehmer, eine Lizenzerteilung für zwei Jahre sei besser, wie Steffen Meyer von der mabb berichtet. Zum anderen hatten sich vier von ihnen gemeinsam für die Einrichtung eines »Community-Radio-Bereichs« ausgesprochen. Beiden Bitten wurde entsprochen - doch freuen werden sich die Lizenznehmer kaum, denn sie haben auch Einbußen hinnehmen müssen.

Für ein »Community Radio« - was am besten mit »Freies Radio« übersetzt wird - plädieren viele Radiogruppen, die unter dem Dach von insgesamt vier 88vier-Lizenznehmern (Pi Radio, Colaboradio, Studio Ansage und Frrapó) senden. Unter ihnen befinden sich viele Einzelpersonen und Gruppen, die sich jahrelang für ein selbstverwaltetes Radio einsetzten. Statt eines Freien Radios schuf die mabb aber 2010 die 88vier. Der Sender vereint die zum Teil sehr erfahrenen Radiogruppen mit dem Offenen Kanal Alex (Ex-OKB), der ganztägig über Kabel und tagsüber mit einem Programmausschnitt auf der 88vier empfangbar ist.

Zur Erläuterung des von ihnen auch für die 88vier erwünschten Konzepts verwiesen die vier Community-Radio-Gruppen in ihren Anträgen auf die vom Bundesverband Freier Radios erstellte Charta Freier Radios. Dort werden als zentrale Charakteristika unter anderem »Transparenz, Partizipation und Mitbestimmung« aufgeführt. Ein im Endeffekt von staatlichen Funktionären verwalteter Offener Kanal entspricht diesem Anspruch nicht.

Die anderen auf der 88vier sendenden Konglomerate von Radiogruppen ebenfalls nicht, finden die besagten vier Lizenznehmer. Sie nennen Multicult.Fm, Reboot.Fm und andere schlicht »Privatradios«, da angeblich »keine Regularien zu freier Partizipation und Mitbestimmung« existierten.

Einen »Community-Radio-Bereich« wollen die der erwähnten Charta verpflichteten Gruppen intern und mabb-unabhängig verwalten. Daneben sollten demnach Bürger- und Ausbildungsfunk und die erwähnten »Privatradios« als zwei weitere Radiokonzepte laufen. 88vier sollte nicht als einheitlicher Sender, sonder als »Sendeverbund« gelten.

Damit nicht genug: Im selben, »nd« vorliegenden Antrag fordern die Gruppen eine deutliche Ausweitung ihrer Sendezeit. Zur Untermauerung erstellten sie eine 18-seitige Analyse der 88vier, in der ungefähr ermittelt wird, welcher Lizenznehmer wie viele Redaktionen, welchen Wortanteil und wie viel Tages- und Nachtsendezeit auf sich vereint. Demnach ist der bestehende Sendeplan ungerecht.

Doch diese Evaluation floss in die Entscheidung des Medienrats nicht ein, sagt Meyer von der mabb. Dort würden »Äpfel mit Birnen verglichen«. Jedenfalls gewährte der Medienrat den erwünschten Community-Media-Bereich, allerdings ohne Ausweitung der Sendezeit. Frrapó wurde nach seinem ersten Jahr geschasst, weil es sich nicht an alle Bestimmungen gehalten habe - eine Begründung, die Jörg Depta von Pi Radio aber nicht akzeptiert. Großer Gewinner der neuen Sendezeitverteilung ist der Offene Kanal »Alex«, der erheblich zulegte.

Wenigstens mit einem Fakt dürften alle Beteiligten zufrieden sein. Laut mabb hat die Media-Analyse, die die Hörerzahl aller Radiosender anhand von telefonischen Befragungen ermittelt, zuletzt erbracht, dass 12 000 Menschen vier bis sechs Mal pro Woche 88vier hören, und 59 000 Menschen mindestens einmal in den zwei Wochen vor der Befragung zugehört hatten. Da die Zahlen Anfang 2011 erhoben wurden, als noch »wenig bis gar keine Öffentlichkeitsarbeit« für die 88vier gemacht worden sei, ist Steffen Meyer von der mabb sehr zufrieden.

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