Ein Hohn für den Flüchtling Willy Brandt

Demonstration in Berlin richtet sich gegen das Flughafenasylverfahren in Schönefeld

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Treffpunkt für die Demonstration gegen das Flughafenasylverfahren in Schönefeld am heutigen Freitag ist der Potsdamer Platz im Herzen Berlins. Um 14 Uhr soll der Protestzug von Flüchtlingsinitiativen durch das Regierungsviertel starten. Die Veranstalter erwarten rund 150 Teilnehmer.

»Für die nahende Eröffnung des Großflughafens in Schönefeld wirbt Berlin mit einem Willy Brandt, der die Welt begrüßt«, sagt Initiatorin Annette Schall. »Das ist aus unserer Sicht eine Image-Lüge. Denn Reisefreiheit und Mobilität gelten am BER-Flughafen nicht für Asylsuchende.« Die europäische Politik der Flüchtlingsabwehr würde mit dem Neubau weiter zementiert, meint Schall.

Nach Frankfurt am Main, München, Düsseldorf und Hamburg soll Berlin der fünfte deutsche Airport mit Flughafenasylverfahren werden. Im Unterschied zu einem normalen Asylverfahren haben Schutzsuchende auf dem Flughafen nur wenige Tage Zeit, ihre Asylgründe vorzutragen, sich dazu Hilfe von Anwälten und Dolmetschern zu organisieren. Der juristische Kunstgriff dabei: Die Flüchtlinge werden als nicht nach Deutschland eingereist erklärt und in einem Gebäude auf dem Flughafen untergebracht, das als exterritorial gilt. Dieses Gebäude soll über 30 Haftplätze verfügen, mit Kinderspiel- und Gebetszimmern ausgestattet sein, aber auch mit einem drei Meter hohen Zaun umgeben und von Kameras überwacht.

»Die Bauarbeiten werden rechtzeitig zur BER-Inbetriebnahme am 3. Juni abgeschlossen sein«, sagt Flughafensprecher Leif Erichsen. Derzeit steht allerdings nur der Rohbau. Der Innenausschuss des brandenburgischen Landtages wollte eigentlich Anfang April zur Besichtigung kommen, nahm aber davon Abstand, weil da gerade die Bodenplatte gegossen wurde. »Wir werden die Besichtigung nach der Sommerpause nachholen«, sagt Ausschusschefin Britta Stark (SPD).

Die Regierungsfraktionen SPD und LINKE sowie die oppositionellen Grünen haben die Landesregierung beauftragt, sich beim Bund gegen das Flughafenasylverfahren einzusetzen. In Berlin scheiterte ein solcher Antrag der Opposition an den Mehrheitsverhältnissen. Inzwischen ist aber Bewegung in die Sache gekommen. Die Jusos und die Arbeitsgemeinschaft Migration der SPD lehnen das Asylschnellverfahren strikt ab und wollen beim nächsten Landesparteitag darüber diskutieren. Juso-Landeschef Kevin Kühnert steht sogar hinter dem Demonstrationsaufruf und fordert von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der auch Vorsitzender des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft ist, den Bau zu stoppen. »Wir empfinden es als beispiellose Geschmacklosigkeit, dass auf einem nach dem Flüchtling Willy Brandt benannten Flughafen ein Abschiebeknast eingerichtet werden soll«, erklärt Kühnert.

Am Mittwoch sprach sich die Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg mehrheitlich gegen den Asylknast aus. In Treptow-Köpenick steht eine von der Linksfraktion verlangte Abstimmung des Bezirksparlaments noch aus. Das Votum hat freilich nur symbolischen Wert, denn es entscheidet der Bund.

Die Grünen beantragten im Bundestag, die gesetzliche Grundlage für das Flughafenasylverfahren generell zu streichen. Eine Mehrheit für dieses Begehren ist allerdings nicht ins Sicht.

Unterstützt wird die Demonstration auch von dem Politiker Hakan Taş (LINKE). »Das Flughafenverfahren macht das Grundrecht auf Asyl zur Farce«, sagt er. »Es ist Teil einer Politik der Abschottung und Abschreckung gegenüber Menschen, die hier Schutz suchen.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.