Wo die Internetszene lebt
Startup-Unternehmen kommen zum Rosenthaler Platz in Mitte
Reisen oder umziehen? Ciaran O'Leary hat sich gegen das Reisen und für Berlin entschieden. »Hier sind wir richtig - mittelfristig auf jeden Fall«, sagt er. O'Leary ist einer der Partner bei Earlybird, einem der nach eigenen Angaben größten Risikokapital-Unternehmen Europas. Earlybird investiert in junge Unternehmen der Kreativwirtschaft, sogenannte Startups, und macht sie groß. Vor kurzem zog die Firma mit rund 15 Mitarbeitern von Hamburg nach Berlin, dem neuen Lieblingsplatz der Internetindustrie.
»Berlin zieht Menschen aus der ganzen Welt an«, schwärmt O'Leary, »unsere Geschäftspartner in Berlin sind zu 70 Prozent international.« Außerdem bestehe ein unglaublich kreatives Potenzial. Früher hätten die Berliner Internetfirmen amerikanische Produkte kopiert, doch diese Zeiten seien vorbei. »Die DNA dieser Firmen stimmt, sie sind stark«, sagt O'Leary. Dieses Argument habe den Ausschlag gegeben für die Umzugsentscheidung. Sechs von 16 Unternehmen, die Earlybird weltweit betreut, sind an der Spree - das gleiche gilt für zahlreiche Firmen, an denen der Investor interessiert ist.
Earlybird zog an die Torstraße beim Rosenthaler Platz im Bezirk Mitte, dem »Epizentrum der Szene«, wie O'Leary sagt. Anders als in manchen Vierteln des ehemaligen Ostteils sind hier nicht alle Fassaden auf Hochglanz poliert. Ladenlokale beherbergen Geschäfte für Schreibwaren oder eine Fahrschule. Vereinzelt ziehen Designboutiquen oder Coffeeshops ein. Wer sich auskennt, weiß, dass hinter mancher Tür ein angesagter Club ist.
Darin treffen sich die potenziellen Millionäre von morgen. »Sie gehen erst in den Club, dann ins Büro, dann wieder in den Club«, sagt Maurice Shahd, Sprecher des Hightech-Verbands Bitkom. Damit spielt er darauf an, dass auch das Nachtleben für manchen IT-Experten ein Argument für Berlin ist. »Berlin ist angesagt, aber nicht so teuer, wie New York oder London.«
Günstige Gewerberäume und Wohnungen sind ein Faktor, der Berlin für die jungen Kreativen attraktiv macht, sagt auch Christian Segal, Leiter des Gründungszentrums der Berliner Sparkasse. »Außerdem haben sich inzwischen viele Netzwerke gebildet, die wichtig sind für Startups.« Einige Unternehmer hätten nach einem ersten erfolgreichen Startup schon verkauft und das nächste Unternehmen gegründet. Das ermutige andere, es zu versuchen.
Die Berliner Sparkasse beobachtet seit Jahren steigende Zahlen bei den Existenzgründungen in der Hauptstadt. Im vergangenen Jahr unterstützte die Bank rund 320 Unternehmen - ein Anstieg von 65 Prozent in den vergangenen sechs Jahren, wie Segal sagt. »Startups aus der Kreativbranche spielen dabei eine wichtige Rolle.«
Einige Faktoren sprechen seiner Meinung nach dafür, dass die Entwicklung anhält: So sei die Berliner Hochschul-Landschaft sehr aktiv. Einige Universitäten und Fachhochschulen unterhalten eigene Gesellschaften, die Studenten beim Sprung in die Selbstständigkeit helfen.
Sicher würden nicht alle Unternehmen Erfolg haben, doch an eine erneute Internetblase wie um die Jahrtausendwende will Segal nicht glauben. Auch die Wirtschaftsförderer von Berlin-Partner hoffen, dass der Boom weitergeht. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen nach eigenen Angaben die Schaffung von 7000 Arbeitsplätzen unterstützt, 2000 davon befänden sich im Kreativbereich, sagt Sprecher Christoph Lang.
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