Hinrichtungen am Bildschirm

Ann Wright über den Drohnen-Krieg der Regierung von US-Präsident Obama

  • Lesedauer: 4 Min.
Ann Wright diente fast 40 Jahre lang im US-Militär und im Außenministerium, u.a. als Vize- Botschafterin in Afghanistan. Im März 2003 quittierte sie aus Protest gegen den Irak-Krieg den Dienst. Seitdem engagiert sie sich in der Friedensbewegung und wurde über ein Dutzend Mal wegen zivilem Ungehorsams festgenommen. Max Böhnel sprach anlässlich der Drohnen-Konfrenz am Wochenende in Washington mit der 65-Jährigen.

Wussten Sie als Oberst von der Existenz von Drohnen?
Als ich 1996 nach 29 Jahren Dienst in der Army pensioniert wurde, gab es zwar bereits Drohnen. Aber sie wurden zur Überwachung und geheimdienstlich genutzt. Mit Waffen waren sie damals noch nicht bestückt. Erst in den vergangenen sechs, sieben Jahren werden unbemannte Flugkörper mit Bomben und Raketen ausgerüstet.

Wie wichtig sind solche Drohnen für die US-amerikanische Kriegsführung heute?
Ziemlich wichtig. Die Produktion und der Gebrauch dieser Mordtechnik haben dramatisch zugenommen. Es begann unter Bush, aber entfaltet hat sie sich erst richtig unter Obama. Die USA sind mit rund 400 Firmen, die an der Herstellung von Drohnenteilen beteiligt sind, der weltweit größte Hersteller. In dieser Zahl sind die Produzenten von nicht-militärischen Drohnen inbegriffen, etwa Drohnen für Polizei, Wettervorhersage oder Katastrophenschutz. Israel ist der zweitgrößte Drohnenhersteller und verkauft sie weltweit. China ist der drittgrößte Produzent.

Wie funktioniert die Kommandokette in den USA?
Es gibt offenbar zwei Entscheidungsstränge, zum einen im Militär und dann direkt in der CIA, was sogenannte »low level targets« oder »targets of opportunity« angeht. Das sind zum einen Zielpersonen oder -gruppen, die als »bedeutungsvoll« angesehen werden, oder solche, die vom Militär quasi zufällig erfasst werden. Nehmen wir das Beispiel eines Fahrzeugkonvois, der von einer Drohne gesichtet wird. Die Informationen, die die Drohne gewonnen hat, werden in einem geheimen Büro zunächst verifiziert, entweder über US-Quellen oder über Quellen anderer NATO-Staaten. Wird dort bestätigt, dass es sich um eine »person of concern« (eine Person, die auf einer Liste steht) handelt, entscheidet der zuständige Offizier, ob auf den Konvoi gefeuert wird. Der zweite Entscheidungsträger ist das National Security Council (Nationaler Sicherheitsrat), ein ziviles Gremium. Es steht außerhalb des Gesetzes und ordnet die Hinrichtung einer gewissen Person an, inklusive US-Bürger.

Wer erhält den Befehl abzudrücken?
Wir wissen, dass es weltweit Dutzende von US-Drohnenstützpunkten gibt. Im vergangenen Herbst wurde ich mit einer Gruppe von Friedensaktivisten beim Blockieren des Armeestützpunkts Hancock im Bundesstaat New York festgenommen. Wir hatten herausgefunden, dass dort junge Militärangehörige von virtuellen Pilotencockpits aus am Computerbildschirm diese Hinrichtungen in Afghanistan und Pakistan mit der »Reaper«-Drohne ausführen. Das Töten ist abstrakter und »sauberer« geworden. Denn die Arbeit dieser jungen Leute ist reine Bildschirmarbeit. Die Befehle werden per Tastendruck eingegeben, über Satellit an die Drohne weitergereicht, und von hoch in der Luft aus schlägt der Tötungsroboter zu. Der Tastenbediener arbeitet und lebt Tausende von Kilometern vom Raketeneinschlag und vom Massaker entfernt.

Was wissen Sie von Drohneneinsätzen innerhalb der USA?
Es sind ja schon USA-Bürger im Jemen mit Drohnen außergerichtlich hingerichtet worden. Je militarisierter unsere Polizeien werden, desto mächtiger wird der Überwachungsstaat. Von dort ist der Schritt zur Bewaffnung von Drohnen nicht mehr weit, die sich dann auf USA-Bürger richten. Ich befürchte, dass die Regierung genau das anstrebt.

Beweise gibt es dafür nicht?
Beweisen ließe sich das nur, wenn ein internes Memorandum nach außen dringen würde. Das wäre die Aufgabe von »Insidern«. Nach meiner jahrzehntelangen Erfahrung im Dienst von Militär und Regierung ist hinter den Kulissen auf jeden Fall viel mehr im Gange, als wir erfahren.


Us-amerikanische Drohne tötete deutschen Islamisten

Bei einem US-Drohnenangriff in Pakistan ist nach Informationen des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel« kürzlich auch ein deutscher Islamist aus Aachen getötet worden. Wie das Blatt in seiner neuesten Ausgabe berichtet, befand sich der Deutschtunesier Samir H. am 9. März in der Region Waziristan an Bord eines großen Pick-ups, als eine US-Drohne das Fahrzeug aus mehreren Kilometern Höhe ins Visier nahm. Drei Raketen habe der ferngesteuerte Flugroboter abgefeuert, mindestens eine habe das Ziel getroffen und den mit bis zu zwölf angeblichen Taliban und ausländischen Kämpfern besetzten Wagen zerstört. Die Mutter des Deutschen fordert die Bundesregierung auf, den Tod in einem Ermittlungsverfahren aufzuklären. »Das war Mord«, so die 54-jährige Konvertitin. Schon im Oktober 2010 kam der 20-jährige Bünyamin E. aus Wuppertal am Stadtrand des wazirischen Ortes Mir Ali ums Leben.

Am Sonntag starben bei einem Drohnenangriff in Pakistan nahe der Grenze zu Afghanistan drei mutmaßliche militante Kämpfer. Zwei weitere seien verletzt worden, sagte ein pakistanischer Sicherheitsbeamter ohne Angaben zur Nationalität. nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.