Wie grün müssen »grüne« Geldanlagen sein?
Unnötig kompliziert für Sparer: Nachhaltigkeitsprodukte
Nie war es so leicht, mit gutem Gewissen Geld anzulegen. Anleger können heute aus einer breiten Palette auswählen. Dabei ist ein rasanter Aufstieg für Finanzprodukte zu verzeichnen, die Geld nicht allein nach Renditegesichtspunkten anlegen, sondern auch nach moralischen, sozialen und ökologischen Kriterien. Heute sind »nachhaltige« Geldanlagen auch in Deutschland ein Milliardenmarkt.
Vielzahl von Bezeichnungen für ethisches Investment
Für ethisches Investment gibt es eine Vielzahl von Bezeichnungen. »Grünes Geld, Green Money, Social Investment, ethische Geldanlage, sustainable Investments - all das findet sich wieder unter der Begrifflichkeit: Nachhaltigkeit«, erklärt ein Sprecher vom Forum Nachhaltige Geldanlage (FNG), dem Dachverband der Branche.
Angesichts der Vielfalt der Begriffe überrascht die einfache Definition: Nachhaltige Geldanlagen ergänzen die klassischen Kriterien der Rentabilität, Liquidität und Sicherheit um ökologische, soziale und ethische Bewertungspunkte. In der Praxis legt jedoch jede Bank, jede Fondsgesellschaft und wohl auch jeder Sparer eigene Kriterien an.
Grundlegend unterscheidet man zwischen »positiven« und »negativen« Kriterien. Mit negativen Anlagekriterien verfolgen Anbieter eine Strategie, die Produkte, Branchen oder auch Staaten aus dem Investmentuniversum ausschließt, weil sie bestimmte Kriterien nicht erfüllen. Solche »wertbasierten Ausschlusskriterien«, wie es die »Grünes Geld«-Branche nennt, sind beispielsweise Atomenergie, Chlor- und Agrochemie, Genmanipulation und Biozide (Schädlingsbekämpfungsmittel außerhalb der Landwirtschaft, beispielsweise Desinfektionsmittel). Aber auch Unternehmen, die Rüstungsgüter, Pornografie, Alkohol oder Tabakwaren herstellen, stehen auf dem Negativ-Index.
Tabu können auch Firmen sein, die Glückspiele betreiben, Tierversuche nutzen oder Kinder als Arbeiter ausbeuten. Verpönt sind Konzerne, deren Lobbyarbeit gegenüber öffentlichen Institutionen das Ziel verfolgt, soziale oder ökologische Standards abzusenken, oder Firmen, die durch Korruption auffielen. Raus sind auch Unternehmen und Staaten, die gegen internationale Normen und Standards verstoßen, wie beispielsweise Verstöße gegen Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder Verstöße gegen Waffensperrverträge und das Artenschutzabkommen oder die Nichtratifizierung des Kyoto-Protokolls zum Klimaschutz.
Doch allein durch den letzten Punkt wären eigentlich alle US-amerikanischen Unternehmen raus aus diesem Geschäft. Tatsächlich legen Banken und Fondsgesellschaften aber individuelle Kriterien an ihre Geldanlagen an. So beschränken sich viele Anbieter auf Atomstrom und Rüstung als »Geht gar nicht«-Ausschlussgrund.
Tipp für Sparer
Vergleichen Sie die Kriterien »Ihres« Instituts mit dem hier vorgestellten Katalog.
Dieser Tipp gilt ebenso für die zweite Variante, um Geldanlagen ethisch zu sortieren. Positive Anlagekriterien gelten als Maßstab für die Auswahl von Finanzprodukten und Unternehmen, die bestimmte Aspekte erfüllen. Positive Anlagekriterien sind beispielsweise Grundsätze vorsichtiger Unternehmensführung und die Berichterstattung zu ökologischen Aspekten der Geschäftstätigkeit.
Positiv bewertet werden die Berichterstattung zu sozialen Belangen der Geschäftstätigkeit, die Veröffentlichung von Vorstandsgehältern oder Leitbilder zur verantwortlichen Unternehmensführung.
Ist der Beste tatsächlich »grün« genug?
Positiv gehen auch sogenannte Themenfonds an die Auswahl heran. Themenfonds beziehen sich auf einen bestimmten »grünen« Sektor und legen das Geld der Sparer etwa in Energiespar-Immobilien an, in »fairen Handel« und Bioproduktion oder in nachhaltige Rohstoffe wie Wald, Agrar und Wasser.
Wald, Agrar und Wasser? An dieser Stelle sehen wir, wie schwierig und politisch heikel im Konkreten die Auswahl ist. Investitionen in landwirtschaftliche Flächen oder die Wasserversorgung sind als »Land Grabbing« (engl. Landraub) weltweit heftig umstritten. Zudem wird sich kaum ein Unternehmen, kaum ein Staat, kaum eine konventionelle Geldanlage finden lassen, die allen Kriterien genügt, die ökologisch und sozial astrein wirtschaften.
Kompromisse sind also gefragt, wenn man an der Idee nachhaltiger Geldanlage festhalten will. Die Antwort der Branche: die Bewertung »Best-In-Class«. Der »Beste in seiner Klasse« muss nicht unbedingt ein ökologischer Vorzeigebetrieb sein. Es genügt, wenn er weniger »dreckig« als die Konkurrenz produziert. Best-In-Class sei dennoch eine positive Anlagestrategie, meint der Nachhaltigkeitsverband FNG, mittels derer Unternehmen ausgewählt werden, die im Branchenvergleich in ökologischer, sozialer und ethischer Hinsicht die höchsten Standards setzen oder besser abschneiden als ihre Mitkonkurrenten.
Auf gängige Finanzprodukte zurückgreifen
Wer nachhaltig Geld anlegen möchte, dem stehen heute viele gängige Finanzprodukte zur Verfügung: betriebliche und private Altersvorsorgeprodukte, Aktien, Anleihen und Beteiligungen, geschlossene Fonds und Investmentfonds, Genussscheine und Lebensversicherungen, Sparbriefe, Sparkonten und Festgelder.
Wie weit sich konventionelle Banken und Fondsgesellschaften bei den einzelnen Produkten an ihre Kriterien halten, ist umstritten. Die im nd-ratgeber vom 25. April 2012 vorgestellte Studie »Von ethischen Maschinenpistolen und ökologischem Uranabbau« des Journalisten Jochen Bettzieche hat hierzu viele Schwachstellen aufgedeckt.
Es liegt also nahe, schon bei der Auswahl der Bank auf soziale und ökologische Aspekte zu achten und eine »alternative« Bank zu wählen.
In der kommenden Woche: Wie alternativ sind »alternative« Banken wirklich?
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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