Scharfer Konter aus Kiew
Ukraine warnt Deutschland vor EM-Boykott »wie im Kalten Krieg«
Die Bundesregierung sah sich am Dienstag, nachdem sie einen politischen Boykott der Ukraine ins Spiel gebracht hatte, mit einer scharfen Entgegnung aus Kiew konfrontiert. Das ukrainische Außenministerium hatte die Überlegung Berlins, den Ko-Gastgeber der Fußball-Europameisterschaft nicht mit Besuchen von Ministern oder gar der Kanzlerin zu beehren, aufs heftigste kritisiert. Dies erinnere, so Kiew, an die »Methoden der Zeiten des Kalten Krieges«. Mit einem sofortigen Einlenken der Regierung in Kiew im Fall Julia Timoschenko war sicher nicht gerechnet worden, aber Berlin - daran bestehen jetzt keine Zweifel mehr - hat sich im Bemühen, die politische Verbündete freizubekommen, gegen stille Diplomatie und für die konfrontative Variante entschieden.
Dem haben sich Spitzenpolitiker aus anderen, an der Fußball-EM teilnehmenden Ländern bisher nur zum Teil angeschlossen. Unterstützung gab es von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Auch in Italien gibt es Forderungen nach einem politischen Boykott.
Bedeckt hält sich vor allem Polen, das Ko-Gastgeberland der Meisterschaft. Auch Größen des europäischen Fußballs wie England, Frankreich oder Portugal haben sich ebenfalls nicht vernehmen lassen. Vor allem London und Paris haben sich bereits in den 1980er Jahren, als zweimal hintereinander Olympische Spiele aus politischen Gründen zu Rumpfveranstaltungen boykottiert wurden, wenig auf politische Entscheidungen im Sportverkehr eingelassen.
Darauf wiesen am Montag und Dienstag verstärkt deutsche Spitzenfunktionäre des Sports, wie der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes Thomas Bach, hin. Sie stellen sich vehement gegen einen sportlichen Boykott der Fußball-EM. Sie verweisen darauf, die Endrunde als Chance anzusehen, auf Missstände in der Ukraine aufmerksam zu machen. Was man während eines Turniers sehr gut könne, nicht aber, wenn man nicht anwesend sei bzw. das Ereignis sogar zu Fall gebracht werde. Diese Haltung wurde von Politikern unterschiedlicher Lager unterstützt, so von Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier oder dem Grünen Hans-Christian Ströbele. Der Deutsche Fußballbund verwies darüber hinaus die Variante, alle Spiele aus der Ukraine nach Polen oder gar nach Deutschland zu verlagern, ins Reich der Fabel.
An Timoschenkos Haftort in Charkow wies die Staatsanwaltschaft Beschuldigungen der Politikerin zurück, sie sei bei einem erzwungenen Transport in eine Klinik geschlagen worden. Keiner der Ärzte oder Krankenpfleger habe dies bei einer Befragung bestätigt, sagte ein Justizsprecher dem Fernsehsender Kanal 5.
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