Absturz im Wunderland

Die Doku »Tage außerhalb der Zeit« über die Bar 25 / Neues Konzept für Areal

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.
Woodstock mitten in Berlin: inspirierendes Schlammbad in der Bar 25
Woodstock mitten in Berlin: inspirierendes Schlammbad in der Bar 25

»Woher weißt du, dass ich verrückt bin?«, fragt Alice im Wunderland. »Sonst wärest du nicht hier«, antwortet ihr die Katze. Mit diesen Zeilen von Lewis Carroll beginnt der Film »Tage außerhalb der Zeit« über den sieben Jahre dauernden Ausnahmezustand im »Bar 25« getauften Clubkultur-Zirkus am Spreeufer. Dabei könnte man auch andersherum jene verrückt nennen, die sich von dem unwiderstehlichen, in der Dokumentation auferstandenen Jahrmarkt der Sinnlichkeiten nicht vereinnahmen ließen. Schließlich war der Zustand der Verrücktheit - oder die Anleitung dazu - erstes Motiv der Initiatoren des Etablissements an der Holzmarktstraße. In die Bar 25 ging man nicht, weil man bereits ausgeflippt war, sondern, weil dies hier ermöglicht wurde, hier die denkbar besten Bedingungen für ein gepflegtes, kontrolliertes Ausrasten herrschten. Nicht verrückt, aber grob fahrlässig verhielten sich dagegen die, die der enthemmten Spielwiese für Erwachsene, dem weltberühmten Sehnsuchtsort der Easy-Jet-Generation die behördliche Unterstützung versagten als es darauf ankam.

Die Regisseurinnen Britta Mischers und Nana Yurikos begleiten vier Protagonisten jener Gruppe, die 2003 begann, eine vermüllte Brache am Spreeufer zu begrünen, dort Holzhäuschen zu bauen und langsam aber sicher ein allerliebstes Hippie-Refugium inmitten der Großstadt zu schaffen. Hier lebte man, machte Kunst im weitesten Sinne - und wurde vom eigenen Erfolg überrollt: Zur ersten Party kamen bereits über 1000 Gäste, nach jener Eröffnung war wochenlang am Stück geöffnet. Damit war ein neuer Mythos geboren, der in der Folge Menschen aus der ganzen Welt nur für Besuche in der Bar 25 in die Flugzeuge lockte.

Der Film versteht es, die Gründe für jene Attraktivität nachvollziehbar zu machen. Gegenübergestellt werden dabei einerseits Aufnahmen, in denen der Betrachter mit der Kamera mitten hinein in eine bunte, aber nicht knallige Melange aus Licht, Musik und allen möglichen Gimmicks wie Windmaschine oder Gartenpool eintaucht: Schöne Menschen in Tierkostümen, Schlammschlachten auf der Tanzfläche oder schrille Selbstdarsteller, angeheizt von einigen der besten DJs der Welt bilden das verführerische Ensemble. Andererseits zeigen die Regisseurinnen das Leben der Bar-Macher. Die verlassen das Gelände nur noch im Notfall, verlieren sich lustvoll in den nicht enden wollenden Feiern und führen tatsächlich ein Leben »außerhalb der Zeit«. Der Film zeigt gut die Verschworenheit jener Gruppe, die durch ihre entspannte Kompromisslosigkeit aber auch durch eine gute Portion Selbstaufgabe extreme Anziehung ausübten.

Im Jahr 2010 wurde das Gelände plötzlich gekündigt. In diesem Moment gab es Berührungspunkte der Gastronomen mit Anti-Gentrifizierungs-Initiativen. Eine Allianz, die sich aber schnell als Missverständnis herausstellte, wie der nostalgische, unterhaltsame, mit 90 Minuten aber deutlich zu lang geratene Film zeigt. Denn im Zweifel zählen Nachtclubs dann doch eher zu den Aufwertern. Und ob eine »gerettete«, also institutionalisierte Bar 25 ihre Magie hätte aufrecht erhalten können, ist alles andere als ausgemacht.

Unterdessen bemüht sich eine genossenschaftliche Vereinigung um den Kauf des Geländes. Geplant ist die Errichtung eines Parks, eines Clubs, eines Hotels, eines Kreativ-Dorfes und von Wohnungen. Club und Hotel sollen kulturelle Aktivitäten finanzieren.

Der Film »Bar 25 - Tage außerhalb der Zeit« startet heute im Kino.

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