Freiem Radio droht das Aus

Potsdamer Sender Frrapó bekam keine neue Lizenz für sein Programm

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 3 Min.

»Eine Tragödie« nannte es der Berliner Radiomacher Jörg Depta, »tragisch« fand es Steffen Meyer von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb): »Frrapó - Freies Radio Potsdam« hat nach einem Beschluss des Medienrats ab dem 21. Mai keine Lizenz mehr für seinen montäglichen Sendeabend auf dem nichtkommerziellen Mischsender 88vier (welcher in Potsdam auf 90,7 Mhz empfangen wird). Die Bestürzung ist groß. Nun geht es an die Fehleranalyse.

»Frrapó war ein unzuverlässiger Lizenznehmer«, sagte Meyer. »Mein Hauptkritikpunkt ist: Die haben nicht mit uns kommuniziert.« Zu den regelmäßigen Treffen mit den anderen 88vier-Lizenznehmern sei niemand erschienen, auf Nachfragen sei nicht reagiert worden. Zudem sei die Sendequalität oft mangelhaft gewesen und es habe auch oft Sendeausfälle gegeben. Außerdem habe Frrapó »zentrale Programmversprechen« nicht oder nur teilweise eingehalten und auch nicht »das für 88vier erstellte Sounddesign« genutzt.

»Die haben uns nicht bedacht«, kontert Patricia Vester, die Frrapó 2011 mit beantragt hatte, den Vorwurf. »Uns wurden Jingles geschickt, die wir übernehmen sollten, in denen wir aber nicht vorkamen. Wir senden auf 90,7.« Deshalb seien eigene Jingles produziert worden, in denen nicht nur für »88,4« geworben wird.

Vester sieht keine gebrochenen Programmversprechen: »Wir hatten gesagt: Wir binden die Stadt ein und spiegeln ihr Kulturleben wieder. Das haben wir erfüllt.« Frrapó werde von und für Potsdamer gemacht, sogar der multikulturelle Aspekt werde durch regelmäßige italienische und russische Sendungen erfüllt. Zudem gebe es auch viel Engagement von und für Kinder und Jugendliche. Die mabb werfe Frrapó im aktuellen Bescheid vor, nicht wie angeblich zugesagt »Stadt und Umgebung interessanter gemacht« zu haben - eine Formulierung, deren Herkunft Vester schleierhaft ist. »Ich bin echt stolz auf das, was wir aufgebaut haben«, sagt die Potsdamer Medienpädagogin und Künstlerin. Innerhalb eines Jahres seien mit viel ehrenamtlicher Arbeit, Geduld und eigenen Ressourcen ein kleines Studio aufgebaut sowie über 20 Redaktionen gebildet worden. Der Andrang Sendewilliger sei hoch.

Vester bittet um Nachsicht: »Wir haben uns jetzt erst installiert. Wachstum muss zugelassen werden.« Sie vermisst eine Würdigung dieses Umstandes seitens der mabb.

Zu den weiteren Vorwürfen sagt Vester: »An den 88vier-Treffen haben wir nur unregelmäßig teilgenommen. Da ist nicht groß was bei rumgekommen.« Nach einer ersten Besprechung der Entscheidung des Medienrats gebe es bei Frrapó nun aber auch Selbstkritik. »Vielleicht hätten wir uns mehr mit der mabb beschäftigen sollen«, überlegt Vester. Sie bestätigt, dass Frrapó nicht auf Schreiben der Medienanstalt antwortete. Auch gegen Sendeausfälle - von der mabb auf acht Stunden seit Mai 2011 beziffert - hätte vielleicht mehr Vorsorge getroffen werden sollen, räumt Vester ein. Das sei jedoch ein personelles Problem: »Wir sind motivierte Laien, die viel zu sagen haben, aber was uns fehlt, sind die Technikbegeisterten.«

Das Entsetzen angesichts der Absetzung des nach langer Zeit ersten Freien Radios in Brandenburg ist groß. Der Bundesverband Freier Radios zeigt sich »bestürzt« und bietet Hilfe bei der Anfechtung der Entscheidung an. Bei Frrapó soll ein Schreiben an die Medienanstalt erarbeitet werden.

Verhandlungspotenzial besteht immerhin, wie Steffen Meyer bestätigt: »Wenn die sich mal melden und sich erklären« sei vielleicht noch eine Änderung der Beschlusslage möglich. Am 15. Mai, wenige Tage vor dem Ende der aktuellen Sendelizenzen, tagt der Medienrat wieder und kann seine Entscheidung dann noch revidieren.

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