Mitternacht am Schnittlauch
Der ganz andere »Hamlet« als Puppenspiel in der Brotfabrik
Ganz schön viel faul im Staate Dänemark. Das dämmert Hamlet, als er in den Semesterferien zu Hause eintrifft. Der Hellste ist er nicht gerade. Sein ihm später als Geist erscheinender verstorbener Vater muss ihm mehrfach kräftig zubrüllen, wer ihn meuchelte. Erst dann fällt beim Söhnchen der Groschen.
Shakespeares Tragödie wird in dem freien Puppenspiel-Projekt von Studenten der Schauspielschule Charlottenburg zur Komödie, bekommt dazu noch einen Schlenker zur Seifenoper. Man erfährt im richtigen Moment »was bisher geschah« und geht nach der Aufführung keineswegs betrübt, auch wenn die Geschichte zum verrückt werden endet.
»hamlet.prinz von dänemark« ist das letzte Drittel des Theaterprojekts »Hamlet-Lesarten« nach William Shakespeare in der Weißenseer Brotfabrik. Die Idee dafür, den Stoff auf solch eigenwillige Art umzusetzen, stammt von Michelle Bray. Sie führte Regie und lässt die bunten Darsteller in des Dichters Sinne in den Ecken tuscheln, intrigieren, andere belauschen und betrügen. Bray schuf auch die nicht einfach zu handhabenden Puppen für das Spiel. Ihre künstlerische Herkunft von der Gruppe »Das Helmi« lässt sich erkennen.
Kopiert ist hier jedoch nichts. Da ist schon eine eigene gute Handschrift. Bis auf eine Ausnahme ist die Handlung auf die üblichen Verdächtigen konzentriert. Dazu gibt Bray dem Höfling Osric eine sympathische wie komische Rolle.
Für die Bühne begnügte man sich mit einem Tisch und schwarzem Tuch. Das reicht völlig mit den übrigen, sparsam eingesetzten Utensilien. Das Licht allerdings ist nicht aufs Puppenspiel, sondern viel zu hoch fixiert. Man nimmt die mit Bray gemeinsam Spielenden zu stark wahr, auch wenn sie schwarz gekleidet sind. So sieht man zu viel von Ramona Eitel Villars, Corinne Thalmanns und Christian Müllers Gesichtern und ihrer Mimik.
Aber man nimmt sie eben auch so wahr, weil sie keine speziell ausgebildeten Puppenspieler sind. Sie sind Schauspieler. Man erkennt, dass diese Studenten bereits viel für die Bühne gelernt haben. Sie sprechen sehr gut, sie spielen gut. Aber es ist eben eine andere, eine besondere Kunst, den Zuschauer den die Puppe Führenden völlig vergessen zu lassen. Hier gelingt das von Mal zu Mal. Am besten mit Osric.
Kalkuliert man also ein, dass niemand perfekt sein kann und es für solch ein studentisches Projekt auch nicht sein muss, kann man seine Freude an der Inszenierung als pfiffig erdachtes, einmal ganz anderes Shakespeare-Stück haben. Es ist flott gespielt und mit einem Text versehen, der Spaß macht. Man kann es also durchaus mögen.
Osric, der Höfling, ist 'ne Seele. Ständig will er Hamlet Gutes tun. Flitzt dafür hyperaktiv während der schaurigsten Ereignisse herum und bekommt sie teilweise deshalb auch gar nicht so richtig mit. Er zeigt jedoch Hamlet, wo nachts der Geist des ermordeten Königs schon auftauchte, und dort steht er dem Freund auch zur Seite. Psst! In Ermangelung englischer Hecken und Irrgärten auf der Puppenbühne verabredet er sich heimlich mit ihm um Mitternacht am Schnittlauch. Toller Einfall, ulkig gemacht.
Am Schluss sind alle dahin. Bitteres Ende in gut gemachter Zeitlupen-Szene. Tja, so ist das mit und nach Shakespeare. Darunter machte er's nicht. Schon deshalb ist es angebracht, wenn es da einmal humorvoll drunter und drüber geht.
Und alle sind dahin, stimmt auch nicht. Osric ist noch da. Überholen ohne einzuholen. Gerade als es tödlich wurde, musste er mal eben dahin rasen, wohin der König zu Fuß gegangen wäre. Na, Sie wissen schon.
6.5., 20 Uhr, Brotfabrik, Caligariplatz 1, Weißensee, Tel.: (030) 471 40 01, www.brotfabrik-berlin.de
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