Später und teurer

Anhörung im Abgeordnetenhaus: Flughafen bekommt Finanzproblem

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 4 Min.

Noch steht der genaue Schaden nicht fest, doch durch die Verschiebung des Eröffnungstermins auf den 17. März 2013 droht dem Hauptstadtflughafen ein Finanzierungsproblem. Im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses, der sich gestern in einer Sondersitzung mit dem Debakel befasste, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), dass der »Finanzierungspuffer für Unvorhergesehenes« deutlich geschrumpft sei. Der Kreditrahmen, in dem sich die Finanzierung bewegen müsse, liege bei 2,4 Milliarden Euro. »Wir sind da an der Kante. Und ich kann nicht ausschließen, dass die Kante des Kreditrahmens übersprungen wird«, so Wowereit, der sich mit Flughafenchef Rainer Schwarz und Projektleiter Joachim Korkhaus den Fragen der Abgeordneten stellte.

Schätzungen gehen von Zusatzkosten von 15 Millionen Euro pro Monat aus. Man werde sehen, ob die Überziehung der Kosten durch die Flughafengesellschaft aufgefangen werden kann, sagte Wowereit und ließ offen, ob andernfalls Berlin, Brandenburg und der Bund als Eigentümer einspringen. Die sind bisher mit insgesamt 440 Millionen Euro an der Finanzierung beteiligt, laut Wowereit eine »relativ kleine« Summe. Einschließlich der Eigenmittel des Flughafens stehen 3,3 Milliarden Euro für die Finanzierung des Airports zur Verfügung. Nach Informationen des RBB sind dem Flughafen allein aus dem Bemühen, den Eröffnungstermin 3. Juni noch zu halten, Zusatzkosten von 100 Millionen Euro entstanden.

Als Konsequenz aus dem Desaster trennt sich die Flughafengesellschaft von Technik-Geschäftsführer Manfred Körtgen und stellt die Zusammenarbeit mit dem Generalplaner ein. Den Abgeordneten insbesondere der Opposition reicht dies nicht. Sie bombardierten die Flughafenchefs mit Fragenkatalogen: Wann wer was wusste, warum nicht früher reagiert wurde, ob der Brandschutz tatsächlich das Hauptproblem war und ob sich der Aufsichtrat nur auf die Geschäftsführung verlassen habe. Manches nervte Wowereit sichtlich, und in Sachen Verantwortung des Aufsichtsrats gab er zurück, auch das Parlament lasse sich nicht die Unzulänglichkeiten der Exekutive, sprich des Senats, zuschreiben. »Wir verlassen uns auch nicht auf ihre Berichte, wenn wir uns über die Stadt informieren wollen«, konterte Michael Schäfer von den Grünen.

Versäumnisse des Aufsichtsrates konnte Wowereit auch gestern nicht erkennen. Für ihn begann alles Übel damit, dass im Laufe des jahrelangen Projekts die Komplexität der Brandschutzanlage gewachsen sei. »Ich glaube, dass die wesentlichen Verzögerungen entstanden sind durch die Planer.« Sie hätten zu häufig die Vorgaben für die beteiligten Baufirmen geändert. »Es ist schwierig zu beurteilen, wer in welcher Phase etwas falsch gemacht hat« oder zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas hätte anders machen können, stellte Wowereit fest.

Er bekräftigte, dass in der Aufsichtsratssitzung am 20. April noch alle Beteiligten mit einer pünktlichen Eröffnung im Juni gerechnet hätten. Der damalige Controllingbericht habe festgehalten, dass die Betriebsaufnahme »aus aktueller Sicht« sichergestellt sei, auch wenn dazu eine »enge Steuerung« gebraucht werde. Ihn selbst habe die Absage am 7. Mai erreicht, einen Tag vor Benachrichtigung der Öffentlichkeit.

Flughafenchef Schwarz wies Berichte zurück, wonach es für die Terminabsage auch andere Gründen gegeben haben soll. »Wenn die Brandschutzanlage funktioniert hätte, hätten wir den Flughafen in Betrieb genommen«, betonte er.

Wowereit bestritt zugleich, beim 3. Juni habe es sich um einen »politischen Termin« gehandelt, der von vornherein nicht einzuhalten gewesen sei. Das Datum sei - wie auch jetzt der neue Termin - von Experten vorgeschlagen worden, nicht von Politikern. »Aber wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die Zeitpläne ambitioniert sind.«

Für Harald Wolf von der Linkspartei hörte sich das Ganze »wie eine schicksalhafte Verkettung unglücklicher Umstände« an. Auf seine präzise Frage, »gab es Fehler, worin bestanden sie, und wer hat sie gemacht?« gab es gestern jedenfalls keine Antwort.

Unterdessen haben Flughafengegner den Rücktritt des Regierenden Bürgermeisters gefordert. Zudem müsse er sich als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft selbst entlassen. Es könne nicht sein, dass Wowereit in Personalunion Aufträge überwacht, die er zuvor vergeben hat«, so ein Sprecher der Friedrichshagener Bürgerinitiative.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.