Predigten aus zweiter Hand
Auch die Kirchen werden von der Plagiatsdebatte berührt, wie ein aktueller Fall in Konstanz zeigt
Die Konfirmationspredigt des Konstanzer Pfarrers wurde im Gemeindebrief veröffentlicht. Doch dann wollen Gemeindemitglieder herausgefunden haben, dass über 70 Prozent des Textes gar nicht von ihm stammen. Der evangelische Pfarrer räumte darauf ein, die Quelle seiner Gedanken sei versehentlich nicht ausgewiesen.
Nun bringt ein Pfarrer nahezu jeden Sonntag in seiner Predigt Gedanken zu Gehör. Die Frage dabei ist, ob es seine eigenen sein müssen. Im Internet jedenfalls kursieren viele Texte, von Inspirationen zu einzelnen Bibelstellen bis hin zur fertigen Predigt. Und es gibt wohl kaum ein Pfarrhaus, in das nicht regelmäßig abonnierte Predigthilfen geliefert werden.
»Geklautes muss gut sein«
Wie ein Pfarrer mit diesem reichen Fundus an Ideen umgehen sollte, beschreibt Ludwig Burgdörfer, Leiter des Missionarisch-Ökumenischen Dienstes der pfälzischen Landeskirche in Landau, mit einem Zitat des Apostels Paulus: »Prüfet alles und das Gute behaltet!« Predigt sei eigentlich immer ein Zitat, sagt Burgdörfer. Von Anfang an transportiere die Verkündigung das, was sie gehört und gesehen habe. Sowohl die mündliche als auch die schriftliche Überlieferung des Stoffes sei von Hause aus zweiter Hand, weil es um die Weitergabe des Evangeliums in Variationen gehe, sagt Burgdörfer. »Da stehen die vier Evangelien wunderbar Pate.« Alle zitierten neben dem eigenen Stoff auch aus Quellen anderer Autoren und bauten daraus ein eigenes Konzept.
Dennoch müssen nach Burgdörfers Ansicht klassische Zitate in einer Predigt kenntlich gemacht werden, und eine eingearbeitete Kurzgeschichte oder ein erzähltes Beispiel als Fundstück präsentiert werden. Aber grundsätzlich sei es gut, wenn Prediger möglichst viele gute Sachen ausfindig machten und sich ausliehen. »Das Geklaute muss gut sein, und dann ist es zum Nutzen aller zu legitimieren.« In dem Moment jedoch, in dem aus dem gesprochenen Wort eine schriftliche Dokumentation werde, ändere sich die Lage. Ab dann müsse es urheberrechtlich ganz exakt verarbeitet werden, sagt Burgdörfer. Ansonsten jedoch sei eine Predigt nicht mit einer wissenschaftlichen Arbeit zu vergleichen, »sondern ist eine Inszenierung auf der Grundlage eines Bibeltextes, der ja auch als Zitat dient«.
Eine Frage des Ethos
In diesem Sinne ist auch die Ausbildung der Vikare für den Predigtdienst ausgerichtet. Zunächst solle der Prediger sammeln und jagen, sagt die Leiterin des pfälzischen Predigerseminars, Julia Neuschwander. Alles könne herangezogen werden: Handreichungen, Kommentare, literarische Texte, Zeitungsartikel und auch Informationen aus dem Internet. Dazu solle eine intensive Beschäftigung mit dem jeweiligen Bibeltext auch im Urtext kommen. Schließlich sei natürlich das Lebensumfeld der Gemeinde mit einzubeziehen.
Diese ganzen Informationen sollten geordnet werden und in einen Predigtaufbau münden, sagt Neuschwander. Eine Eigenständigkeit des Textes und seine schlüssige Verbindung zur Person des Predigers ist laut Neuschwander nur zu erreichen, wenn darauf verzichtet werde, einfach Passagen aus anderen Texten zu kopieren. Außerdem sollten Zitate etwa aus Zeitungen oder aus Gedichten als solche deutlich gemacht werden.
Neuschwander lässt nicht gelten, dass ein überlasteter Pfarrer einfach irgendwo eine Predigt oder große Teile davon abkupfert. »Das ist eine Frage des Berufsethos.«
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