Muss ich eine alte Edeltanne auf der Kleingartenparzelle fällen?
Leserfrage zum Nachbarrecht
Die Besitzerin der Nachbarparzelle in einer Kleingartenanlage verlangt von mir, eine Edeltanne zu fällen, die 1989, als ich meine Parzelle übernahm, mindestens 15 Jahre alt war und heute etwa 5,50 Meter hoch ist. Ist das Verlangen rechtens? Ist eine Edeltanne ein Waldbaum- oder ein Gartenbaum?
Joachim W., Ilmenau
Der Begriff »Waldbäume« wird im Zusammenhang mit Kleingartenanlagen vor allen Dingen als Komplementärbegriff zu »Obstbäumen« verstanden. In diesem Sinne wird man eine Edeltanne den Waldbäumen zurechnen müssen. Obstbäume gehören in Kleingärten. Laub- und Nadelbäume dagegen grundsätzlich nicht.
Deswegen ist das Fällen von Nadelbäumen in Kleingartenparzellen innerhalb von Anlagen, die als Dauerkleingärten festgesetzt sind, zulässig, selbst wenn dem Baumschutzbestimmungen scheinbar entgegenstehen sollten. Da Laub- und Nadelbäume die mit der Festsetzung als Dauerkleingarten bestimmte Bodennutzung stören, können Baumschutzbestimmungen dieser Nutzung nicht entgegengehalten werden. In Dauerkleingartenanlagen treten die Belange des Baumschutzes hinter die Erfordernisse der kleingärtnerischen Nutzung zurück.
Andererseits kann der Besitzer der Nachbarparzelle das Fällen eines solchen Baumes nicht verlangen. Das gilt umso mehr, wenn, wie Sie schreiben, die für Ihre Kleingartenanlage maßgebliche Gartenordnung eine Beseitigung von Waldbäumen, worunter auch Ihre Edeltanne zu zählen sein dürfte, nur im Falle eines Pächterwechsels gefordert wird.
Wenn durch den Baum ein Sturmschaden verursacht wird, muss der Eigentümer des Baumes dafür haften. Das begründet aber keinen Anspruch des Nachbarn, allein wegen der Befürchtung eines Schadens dessen Fällung zu verlangen. Denn aus der Verkehrssicherungspflicht, die dem Eigentümer obliegt, folgt nicht die Pflicht gegenüber potenziellen Betroffenen, bestimmte Maßnahmen, wie hier das Fällen eines Baumes, zu ergreifen.
Schon gar nicht kann die Nachbarin mit einer Klage gegen Nadelbäume auf entfernteren Grundstücken vorgehen. Das wäre eine sogenannte Popularklage, also Klage im Interesse der Allgemeinheit, die nach deutschem Recht nur von speziell dazu ermächtigten Einrichtungen (zum Beispiel Verbraucherschutzverbänden, wenn es um Wettbewerbsverstöße geht) geführt werden können.
Für die Durchsetzung der Verpflichtungen aus den Kleingartenpachtverträgen, ergänzt durch das Bundeskleingartengesetz, die Gartenordnung und andere eventuell in diesen Pachtverträgen in Bezug genommene Dokumente ist der Verpächter zuständig.
Die Regelung des § 908 BGB (drohender Gebäudeeinsturz), wonach der Eigentümer eines gefährdeten Grundstücks von dem für den Schaden Haftenden verlangen kann, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, betrifft nur Gebäude und andere Werke.
Außerdem kann der bloße Besitzer, also auch der Unterpächter eines Kleingartens, daraus keine Rechte herleiten.
Prof. Dr. DIETRICH MASKOW, Rechtsanwalt, Berlin
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