Hollande soll ins Leere laufen
Eurobonds werden voraussichtlich nicht diskutiert / Merkel erhält Rückendeckung von Spanien
Die Stimmung ist aufgeheizt im Vorfeld des EU-Gipfels heute Abend in Brüssel. Die schwierige Lage in Griechenland und die Forderungen des französischen Präsidenten François Hollande nach mehr Wachstumsförderung und Eurobonds bringen Journalisten zum Spekulieren, Experten zum Analysieren, Verbände und Parteien zum Verschicken von Positionspapieren. Doch wichtige Teilnehmer des Geschehens lässt die Hektik kalt.
Allen voran der Gastgeber, EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Unmissverständlich schreibt er in seiner Einladung an die EU-Staats- und Regierungschefs, dass das Abendessen nicht dazu da sei, Entscheidungen zu treffen. In aller Offenheit sollen die Politiker darüber reden, wie der eingeschlagene Weg aus Euro- und Schuldenkrise fortgeführt werden könne. Erst auf dem nächsten Gipfeltreffen am 28. und 29. Juni sollen Beschlüsse gefasst werden. Von einem möglichen Umschwenken in der Strategie schreibt Van Rompuy nichts.
Für die deutsche Bundeskanzlerin waren diese Worte eine Steilvorlage. Bei der gestrigen Bundespressekonferenz wurden die Punkte aus Van Rompuys Einladung brav abgearbeitet. Griechenland? Eurobonds? Mögliche Konflikte mit Hollandes Wachstumsideen? Nein, so etwas stehe nicht auf dem Programm. Natürlich sei die Kanzlerin bereit, ihre Haltung zu diesen Themen noch einmal zu erklären. Aber inhaltlich sei nichts Neues zu erwarten. Denn wie der Gastgeber schon schreibe: Entscheidungen werden auf dem Gipfel nicht getroffen.
Damit ist der Rahmen geschaffen, Hollande bei seinem ersten Auftritt in Brüssel ins Leere laufen zu lassen mit seinem Elan. Hier soll nicht das passieren, was in den vergangenen Tagen auf den Gipfeln G8 und NATO in den USA zu sehen war. Dort konnte der Franzose Erfolge mit seinen Ideen feiern. Beim Thema Wachstum wusste er sich auf dem G8-Gipfel der Unterstützung von US-Präsident Obama sicher. Bei der NATO setzte er gegen den Widerstand aller den Abzug der französischen Kampftruppen bis Jahresende aus Afghanistan durch. In Europa, gleichsam im eigenen Haus, soll der neue Wilde gezähmt und an die etablierten EU-Hierarchien gewöhnt werden.
Auffällig ist, wie zurückhaltend der sonst oft vorpreschende EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso ist. Ihm müssten Hollandes Ideen eigentlich gefallen. Eurobonds, wie Hollande sie fordert, findet auch Barroso gut. Mit Merkel hatte er die Konfrontation vergangenes Jahr nicht gemieden, als er gegen den Willen der Kanzlerin einen Vorschlag zur Einführung dieser gemeinsamen Staatsanleihen vortrug. Doch zum bevorstehenden Gipfel war von Barroso bis gestern am frühen Nachmittag nichts zu hören. Möglich, dass der Portugiese sich mit der derzeitigen Strategie zur Eurorettung begnügt. Sie räumt der EU-Kommission weitreichende Befugnisse ein, was die Macht der EU-Behörde stärkt. Das Kapitel Eurobonds könnte sich Barroso für später aufheben.
Somit ist kaum zu erwarten, dass sich Merkel heute Abend als einzige Verfechterin eines mehr oder weniger strikten Sparkurses in Europa wieder findet. Zwar konnte Hollande in den USA den italienischen Regierungschef Mario Monti als Mitstreiter für Eurobonds gewinnen. Doch Mariano Rajoy, Premierminister des anderen angeschlagenen EU-Riesen Spanien, stärkte gestern überraschend der Kanzlerin den Rücken. Eurobonds seien keine schnelle Lösung. Am Sparen führe kein Weg vorbei. Diese Haltung dürften auch einige kleinere Euroländer teilen, etwa Finnland, Slowenien und Estland. Und Wachstum wollen sowieso alle. Das würde hervorragend für die Kompromissformel am Ende des Treffens passen. Eben nur ohne Entscheidung, wie genau das Wachstum erreicht werden soll.
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