Zu spät die Notbremse gezogen
Angestellte der Kindereisenbahn müssen sich wegen Missbrauchs vor Gericht verantworten
(dpa/nd). Im dritten Prozess um Missbrauch bei der Kindereisenbahn hat ein früherer Bahnhofsleiter zehn Übergriffe auf zwei Jungen gestanden. »Ich möchte mich entschuldigen«, sagte der 31-Jährige am Donnerstag vor dem Berliner Landgericht. Er bedaure es sehr. Sein mitangeklagter Freund räumte drei intime Begegnungen mit einem zwölfjährigen Kind ein. Der 26-Jährige bereue dies zutiefst.
Die Übergriffe im Freizeitpark Wuhlheide in Köpenick wurden im vergangenen Jahr bekannt. Bereits vor zehn Jahren soll ein Kind einem Vertrauten berichtet haben, es sei von einem Mitarbeiter bedrängt worden. Opferanwalt Christian Weitzberg sagte am Rande des Prozesses, »viele Taten hätten verhindert werden können, hätte man früher die Notbremse gezogen«.
Die Verantwortlichen hätten versäumt, nachzuforschen, so der Nebenklagevertreter. Nach einem Gespräch mit dem damaligen Kindereisenbahn-Geschäftsführer und dem jetzigen Chef im Mai 2002 sollte der Junge laut Weitzberg seine Anschuldigungen offenbar zurücknehmen. Es gebe ein Protokoll des Gesprächs.
Im Herbst 2010 erfolgte die erste Anzeige. Der Kindereisenbahnchef hatte bisher immer wieder betont, erst durch die Polizei informiert worden zu sein. In einem Beitrag der RBB-»Abendschau« räumte der Geschäftsführer am vergangenen Mittwoch dann aber doch den Fehler ein, nicht schon früher etwas unternommen zu haben.
Die Vorwürfe gegen den Eisenbahner und seinen Freund datieren aus den Jahren 2001 bis 2007. Zu den Übergriffen auf die 12 und 14 Jahre alten Jungen kam es auf dem Gelände der Kindereisenbahn und in Wohnungen. »Ich habe gebilligt, dass sich der Junge auf Sex mit mir einließ, weil ich ihm in meiner Funktion übergeordnet war«, erklärte der 31-Jährige, der Zugbegleiter der Deutschen Bahn ist. In seiner Zeit bei der Kindereisenbahn habe er gemerkt, dass er schwul sei.
Der frühere Werkstattleiter der Kindereisenbahn und ein weiterer Hobbyeisenbahner waren in jeweils eigenen Prozessen zu Bewährungsstrafen von 18 Monaten bzw. zwei Jahren verurteilt worden. Schon im Juni 2011 war ein früherer Eisenbahnbetriebsleiter zu neun Monaten Haft mit Bewährung verurteilt worden.
Die Schmalspurbahn wird seit 1956 von Kindern und Jugendlichen unter Anleitung von Erwachsenen betrieben. Sie zählt zu den Attraktionen im FEZ.
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