Zusammen gegen Armut kämpfen
Die Landesarmutskonferenz Berlin setzt sich für die Schwachen ein und ist nun auch bundesweit vernetzt
nd: Die Landesarmutskonferenz Berlin ist der Nationalen Armutskonferenz beigetreten. Wie kam es zu diesem Schritt?
Pfahler: Der Schritt war folgerichtig, weil wir immer mehr an Grenzen gestoßen sind. Berlin ist unser eigentliches Aufgabengebiet, aber viele Gesetze werden vom Bund gemacht, zum Beispiel das Bildungs- und Teilhabepaket, zum Teil auch die Mietgesetze. Wenn wir dort Einfluss nehmen wollen, müssen wir auch auf Bundesebene organisiert sein.
Jetzt ganz aktuell gibt es durch das Europäische Fürsorgeabkommen in ganz Europa Freizügigkeit. Das ist auch gewollt, das wird überall propagiert, alle Menschen in Europa können überall hingehen und arbeiten. Aber wenn sie dann mal in Not geraten in irgendeinem anderen Land hat die Bundesregierung im letzten Jahr einen Vorbehalt eingebracht und gesagt, europäische Ausländer haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe in Deutschland. Das ist natürlich ein Unding.
Was ist die Berliner Landesarmutskonferenz, wer gehört zu ihr?
Das ist ein Zusammenschluss von knapp 60 Organisationen, dabei sind auch die Berliner Wohlfahrtsverbände und Träger von sozialen Einrichtungen, denen daran liegt, nicht alleine gegen die Armut im Land Berlin zu kämpfen, sondern die sich zusammengeschlossen haben, um gemeinsam Einfluss auf die Sozialpolitik in Berlin zu nehmen.
Wann wurde sie gegründet und wie ist sie organisiert?
Sie wurde zum Europäischen Jahr gegen soziale Ausgrenzung und Armut 2009 gegründet. Seither arbeiten wir in Fachgruppen zu verschiedenen Themenschwerpunkten, die mit Armut zusammenhängen.
Wir haben einen Sprecherrat, in dem sich die Sprecher dieser Fachgruppen zusammenfinden. Zum Beispiel Kinderarmut, Armut im Alter, Armut von Frauen und Armut von Migranten. Wir versuchen auch, dass wir die Sozialberichterstattung in Berlin aufpäppeln, damit man hier auch wirklich Armut bekämpfen kann.
Was meinen Sie mit Sozialberichterstattung?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In Berlin haben wir seit Einführung der Hartz-IV-Sätze keine Zahlen mehr über die untergebrachten Wohnungslosen. Das hängt damit zusammen, dass seit der Einführung zwei Behörden mit der Unterbringung zu tun haben. Die kriegen es nicht gebacken, sich soweit zu verständigen, dass sie die Zahlen der Menschen, die behördlicherseits untergebracht sind, zusammenzählen. Das mahnen wir seit sieben Jahren an. Ohne solche Zahlen kann man keine gezielten Maßnahmen gegen Wohnungsnot ergreifen.
Sie sind jetzt die siebte LAK, die der Nationalen Armutskonferenz beigetreten ist. Warum war Berlin bisher noch nicht Mitglied?
Uns gibt es noch nicht sehr lange. Das war jetzt ein Schritt, den uns die Praxis angetragen hat. Wir sind immer wieder an die bundesgesetzlichen Grenzen gestoßen. Beim Senat hat man uns dann gesagt: »Da können wir nichts machen.«
Gibt es in jedem Bundesland eine LAK?
Nein. In Berlin ist sie ja auch relativ spät gegründet worden, nachdem es schon in anderen Bundesländern welche gab. Das ist der Initiative der sozialen Organisationen in den einzelnen Bundesländern geschuldet. Wenn es diese Initiativen nicht gibt, dann gibt es unter Umständen auch keine Landesarmutskonferenz. In Berlin gibt es mit Sicherheit über 1000 Organisationen, die sich um soziale Belange kümmern, und nicht alle sind in Wohlfahrtsverbänden organisiert. Wir bieten diesen Organisationen eine Plattform, für die randständigen und armen Menschen gemeinsam mit andern, quasi im großen Konzert die Stimme zu erheben.
Welche Hauptarbeitsfelder haben Sie hier in Berlin, und unterscheiden die sich von anderen Landesarmutskonferenzen?
Das sind im Grunde genommen immer die gleichen Felder. Da geht es um Kinder- und Jugendarmut, was ja auch in aller Munde ist. Es geht um Wohnungslosigkeit, es geht um Gesundheit, es geht um Migranten, die ein spezielles Problem sind, und teilweise um spezielle Problemlagen von Frauen, die immer noch an verschiedenen Stellen Ausgrenzungen erfahren und eben nicht entsprechend berücksichtigt sind. In Zukunft wird Armut im Alter ein Schwerpunkt unserer Arbeit werden.
Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen?
Die versuchen wir zu fokussieren. Wir haben gerade mit einigen Fraktionen Gespräche geführt, um unsere Anliegen anzubringen. Und wir schreiben einzelne Senatsverwaltungen an. So haben wir zum Beispiel bei den Sozialverwaltungen reklamiert, dass wir zur Sozialberichterstattung mehr brauchen als das, was wir bisher haben, um gegen Armut besser agieren und gezieltere Maßnahmen ergreifen zu können.
In den Antwortschreiben hat man uns signalisiert, dass die vorhandenen Daten und Statistiken als ausreichend für die Sozialplanung angesehen werden. Im Herbst werden wir deshalb hierzu einen konkreten Vorschlag einbringen mit dem Ziel, in Zukunft vernetzter und konzertierter gegen Armut in Berlin vorgehen zu können. Vieles läuft hier noch nebeneinander her oder gar gegeneinander. Oft weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut, oder wird das frisch gepflanzte Pflänzchen zertreten.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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