»Am besten gar nicht eröffnen«
Airportkritiker Welskop: Der Flughafen wird erst richtig teuer mit seiner Fertigstellung
Welskop : Die werden mir mittlerweile nachgesagt. Aber um so etwas einschätzen zu können, muss man nur in die Geschäftsberichte der Flughafengesellschaft schauen. Da zeichnete sich die zunehmende wirtschaftliche Schieflage des Flughafens seit langem ab.
Also war die Verschiebung des Eröffnungstermins für Sie keine Überraschung?
Die zeichnete sich ja schon lange ab und war ja auch nicht die erste. Ursprünglich sollte der Flughafen schon zu Olympia 2000 in Berlin eröffnen. Seit der Bau 2006 tatsächlich begonnen hat, sind wir nun beim dritten Termin angekommen. Aber auch im März 2013 wird die Eröffnung nicht gelingen, wahrscheinlich auch nicht 2014.
Schon wieder Prophet? Das Terminal ist doch aber fast fertig, bis auf die Brandschutzanlagen.
Die Arbeiten sind auch in anderen Bereichen in Verzug, man denke nur an die Schallschutzmaßnahmen, ohne die der Flughafen laut Planfeststellungsbeschluss nicht in Betrieb gehen darf. Dann hat sich der Flughafen praktisch selbst enthauptet, den technischen Geschäftsführer und das Generalplanungsbüro mit 200 Mitarbeitern abgelöst. Die Neuen müssen das Desaster erstmal aufarbeiten, das kostet Zeit. Und am Ende, wenn alles fertig ist, kommt der Probelauf, für den sechs bis neun Monate zu veranschlagen sind und nicht sechs Wochen, wie die Flughafengesellschaft behauptet.
Weiß das außer Ihnen niemand?
Da gab es auch in der Vergangenheit schon genug Experten, auch in der Flughafengesellschaft selbst, die gewarnt haben. Aber die bekamen einen Maulkorb verpasst oder mussten gehen. Die Politik wollte ihr Prestige-Projekt.
Die Folgen des Bankenskandals von 2001 spüren wir noch heute, welches sind die Folgen des Flughafenskandals?
Auch die werden verheerend sein. Die Kosten sind schon jetzt völlig aus dem Ruder gelaufen. Aber das Drama beginnt erst richtig, wenn der Flughafen eröffnet wird. Denn er wird nie rentabel zu betreiben und immer auf Subventionen der Steuerzahler angewiesen sein, ein ewiges Zuschussgeschäft.
Warum?
Weil von Anfang an völlig falsche Strategien gefahren wurden. Das begann mit der falschen Standortwahl, setzte sich fort mit dem Ankauf von Grundstücken, die dann für den Flughafen gar nicht gebraucht wurden – der Baufeld-Ost-Skandal, der allein zu einem Verlust von mindestens 200 Millionen Euro führte – , und zeigt sich in der Subventionierung der Billig-Airlines. Die mussten angelockt werden, um überhaupt einen Bedarf für den Flughafen vorzugaukeln.
Im Buch sprechen Sie vom »Luxusflughafen für Billigflieger«.
Am neuen Großflughafen werden 60 bis 70 Prozent der Flüge Billigflüge sein. Mit denen aber kann man keinen teuren Großflughafen bewirtschaften. 2002, bevor ihre Subventionierung begann, lag der Umsatz auf den Berliner Flughäfen bei 14,90 Euro pro Passagier, seitdem ist er auf 10,90 Euro gesunken. Der Durchschnitt auf den internationalen deutschen Flughäfen liegt bei 25 Euro. In diese Region müsste der BER vordringen, wollte er wirtschaftlich sein.
Deshalb soll der neue Flughafen ein Shopping-Center werden.
Im vergangenen Jahr hat dieser sogenannte Non-Aviation-Bereich 17,9 Prozent zum Umsatz der beiden Flughäfen beigetragen. Im neuen Flughafen soll sein Anteil innerhalb kürzester Zeit auf 50 Prozent steigen, das ist einfach illusorisch. Oder glaubt jemand, dass die Passagiere, die für 99 Euro in den Billigflieger steigen, ihr Gespartes in die Flughafenshops tragen? Berlin will einen erstklassigen Flughafen für einen zweitklassigen Flugbetrieb bauen. So kann es aber von den Schulden, die es dabei macht, nicht herunterkommen. Zu Hertha passt jetzt eigentlich auch nicht mehr das Olympiastadion.
Was wäre ein erstklassiger Flugbetrieb?
Das wäre ein Flughafen mit mehr Umsteigern, mit Drehkreuzfunktion. Davon gibt es zwei in Deutschland, Frankfurt am Main und München. In Frankfurt gibt es knapp 50 Prozent Umsteiger, in Berlin nicht mal fünf. Hätte die Berliner Politik damals fundiert entschieden, wäre der Flughafen in Sperenberg entstanden, jetzt zehn Jahre in Betrieb und das zweite Drehkreuz geworden. So wurde es München. Der Luftverkehrsmarkt ist aufgeteilt, deshalb wird es ein drittes Drehkreuz in Berlin nicht geben, auch, weil die fetten Jahre im Luftverkehr vorbei sind.
Laut Flughafenchef hätte der Neubau des Airports drei Milliarden Euro gekostet, wenn er morgen in Betrieb gegangen wäre. Wie wird die Schlussrechnung aussehen, inklusive der Terminverschiebung?
Das ist schwer abzuschätzen. Im Jahr 2004 sollte der Flughafen mal 1,7 Milliarden Euro kosten. Bis zum Baubeginn 2006 waren aber bereits 1,5 Milliarden Euro Kosten entstanden, etwa durch den Fehlkauf beim Baufeld Ost, den Umzug der Gemeinde Diepensee, zwei gescheiterte Privatisierungen. Das Terminal wird mit 1,2 Milliarden Euro mindestens doppelt so teuer wie geplant, wahrscheinlich muss man jetzt mit weiteren 350 Millionen Euro Baukosten rechnen. Und auch die bisher geplanten 157 Millionen Euro Kosten für Schallschutz dürften sich mindestens verdoppeln, wenn sich die Flughafengesellschaft an die gesetzlichen Auflagen halten muss. Hinzu kommen die Einnahmeausfälle durch die verspätete Inbetriebnahme, Schadensersatzzahlungen an die Airlines und Dienstleister und ein erhöhter Schuldendienst an die Banken, denn die Verluste des Flughafens werden noch höher ausfallen als geplant. Alles in allem dürften locker fünf Milliarden Euro zusammenkommen.
Was wäre die Alternative?
Ein sofortiger Baustopp. Am besten wäre, die Eröffnung fällt ganz aus. Eine Bürgerinitiative hat ja bereits ein Nachnutzungskonzept entwickelt.
Falls Sie Ihr Buch noch einmal schreiben würden, würde im Titel wieder ein Fragezeichen erscheinen?
Nein, unbedingt ein Ausrufezeichen. Denn am BER wird künftig nur noch für die Banken geflogen, und der Steuerzahler muss dafür bluten.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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