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Alte Sorben in alten Tagen
Ausstellung mit Fotos von Ulrich Burchert zeigt die slawische Minderheit in der DDR
Fotografen, die Ulrich Burchert kennen, wundern sich. Der Bildreporter gilt im Kollegenkreis vor allem als früher Dokumentarist der DDR-Singebewegung. Im Fotowerk Berlin zeigt der inzwischen 71-Jährige nun aber eine ganz andere Seite seines Schaffens - Bilder von den Sorben in der Lausitz, entstanden in den Jahren 1977 bis 1984 in Orten wie Crostwitz, Schleife und Peitz.
Die Bräuche der slawischen Minderheit, das Zampern, die Vogelhochzeit, Frauen in Trachten, Männer beim Osterreiten, das Bescherkind mit dem verhangenen Gesicht, das alles ist schon oft abgelichtet worden. Auf den ersten Blick könnten die Bilder von gestern sein. Es hat sich zwar auch im Leben der Sorben viel verändert seit 1989, doch das ist an der traditionellen Kleidung nicht abzulesen. Der Betrachter muss schon die Personen fixieren, die sich nach der Mode der Zeit angezogen haben, die einfache Anzüge tragen. Es sind die alten Männer mit Hornbrillen, die alten Frauen mit Kittelschürzen aus dem Material Dederon. Jetzt erst wird klar: diese Bilder stammen aus einer noch gar nicht so fernen, aber doch versunkenen Zeit.
Bei einem einzigen Motiv aus Schleife ist es ganz deutlich: Die sorbischen Mütterchen beim Tanz im Klassenzimmer, die Lehrerin, die applaudiert, die Schüler, die zusehen, das freilich könnte sich auch heute noch so ereignen. Aber alle Kinder tragen Pionierhalstücher! Das wirkt für die Nachgeborenen befremdlich, für die Zeitgenossen war es Alltag.
»Durch Zufall«, wie er sagt, begann Ulrich Burchert einst, die Sorben zu fotografieren. Rund zehn Jahre lang haben sie ihn dann immer wieder beschäftigt. Er fuhr in die Lausitz, wenn ein Fest angesagt war und wenn er auch Luft hatte, sagt er. »Mit der Zeit sah ich hier auch eine Möglichkeit, nicht allein den Jahreszyklus der Feste zu fotografieren, sondern auch den Zyklus des Menschen, sein Kommen und Gehen, von der Geburt bis zum Tod.« Von den Bildern, die damals entstanden, ist in dem kleinen Hinterzimmer, das als Galerie des Fotowerks Berlin dient, nur ein kleiner Ausschnitt zu sehen, aber auch diese wenigen Fotos genügen, um das Werden und Vergehen eindrucksvoll darzustellen: »Taufe« (1978), »Hochzeit« (1977), »Begräbnis« (1980).
Von großer Meisterschaft zeugt die Aufnahme »Martini« (1983). Sie zeigt Lampions im Dunkeln. Zu sehen sind Wolken am Himmel und ein Kirchturm im Hintergrund. Nicht zu erkennen sind jedoch die Menschen, die die Lichter tragen. Trotzdem sind sie es, die hier ins Gedächtnis gerückt werden. Wie sie wohl aussahen, was sie fühlten in diesem Moment?
Ulrich Burchert kam 1940 in Berlin zu Welt, wo er auch heute lebt und arbeitet. Er machte ein Abendstudium, das er als Ingenieur abschloss, und absolvierte ein Fernstudium an der renommierten Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Burchert gehörte zur Gruppe Jugendfoto beim Zentralrat der FDJ. Er war und ist ein kluger Querkopf, der immer wieder aneckt und sich Widerspruch bis heute nicht verkneifen kann. Spät, im Jahr 2005, schrieb er seine Doktorarbeit »Zum Ursprung des Massenmediums und seiner Bewegung in der menschlichen Geschichte«. Markenzeichen Burcherts ist seine museumsreife Hasselblad, ein schwedisches Produkt, das wie eine Schmalfilmkamera daherkommt, tatsächlich jedoch ein Fotoapparat für größere Formate ist. Burchert hat die Hasselblad immer dabei, auch wenn er für den »Disput«, die Zeitschrift der LINKEN unterwegs ist, Demonstrationen oder Umweltministerin Anita Tack fotografiert.
Ausstellung »Die Sorben«, bis 12. Juli, Fotowerk, Boxhagener Straße 43 in 10245 Berlin-Friedrichshain, Mo. bis Fr. von 10 bis 19 Uhr, Sa. von 10 bis 16 Uhr
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