Lobbyverstrickungen lösen

  • Timo Lange
  • Lesedauer: 3 Min.

Lebensmittel sind heutzutage komplexe Produkte. Sie sind versetzt mit Zusatzstoffen und für die Verbraucher ist oft nicht ersichtlich, woraus ihr Essen eigentlich besteht. Unternehmen wie Nestlé, Unilever oder Danone setzen jährlich Milliarden mit Lebensmitteln um und sind beständig auf der Suche nach neuen, innovativen Produkten. Um uns als Verbraucher zu schützen, ist gerade in diesem sensiblen Bereich eine unabhängige Kontrolle und Regulierung wichtig. Doch daran hapert es: Die europäische Lebensmittelaufsicht ist viel zu eng mit Lobbyorganisationen der Industrie verflochten.

In Europa ist die EU-Kommission dafür zuständig, Grenzwerte für Zusatzstoffe festzulegen oder den Einsatz von genetisch veränderten Pflanzen zu regulieren. Um diese Aufgabe wahrnehmen zu können, ist sie auf Experten angewiesen, die sie bei komplexen Fragen, zum Beispiel zum Einsatz von Pestiziden, beraten. Diese Experten müssen selbstverständlich unabhängig von der Lebensmittelindustrie sein. Zu diesem Zweck wurde vor zehn Jahren die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) mit Sitz im italienischen Parma gegründet. Bei der EFSA sind mehrere wissenschaftliche Gremien angesiedelt, die sich jeweils mit einem Teilbereich der Lebensmittelsicherheit befassen. So gibt es zum Beispiel ein Gremium für Lebensmittelzutaten und -verpackungen und eines für die Risikobewertung beim Einsatz genetisch veränderter Organismen. Dazu gibt es einen Verwaltungsrat, der an der Auswahl der Experten für die Gremien beteiligt ist und für die Wahrung der wissenschaftlichen Unabhängigkeit zuständig ist. Um eben jene Unabhängigkeit ist es allerdings bei der EFSA nicht gut bestellt.

Immer wieder wurden Verbindungen sowohl der Verwaltungsratsmitglieder als auch der Experten in den Gremien zur Lebensmittellobby bekannt. Besonders häufig tauchten dabei Verbindungen zu einer Lobbyorganisation der Industrie, dem mit einem neutral klingenden Namen auftretenden International Life Sciences Institute (ILSI), auf. Finanziert wird ILSI von den großen Lebensmittelkonzernen, darunter BASF, Coca-Cola, Kraft Foods, McDonald's, Monsanto, Nestlé, Tetra Pak und Unilever. Ausgerechnet die Vorsitzende des Verwaltungsrats der EFSA, Diána Bánáti, war nebenbei Vorstandsmitglied bei ILSI Europe. Erst nach viel Kritik aus der Zivilgesellschaft und dem EU-Parlament trat sie vor 18 Monaten von ihrem Posten bei der Lobbyorganisation zurück.

Anfang Mai wurde allerdings bekannt, dass Bánáti nun doch zu ILSI Europe wechselt - als Geschäftsführerin. Bánáti tritt damit den Posten von Gerhard Eisenbrand an, der neben seiner Tätigkeit für das ILSI übrigens im wissenschaftlichen Beirat des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sitzt. Dort ist er unter anderem für die Risikobewertung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel zuständig.

Es muss also nicht nur bei der EFSA dafür gesorgt werden, dass die engen Verflechtungen zur Lebensmittelindustrie durchtrennt werden. Wir brauchen eine lobbyunabhängige Lebensmittelaufsicht! Immerhin ist das EU-Parlament das Problem angegangen: In einer beispiellosen Abstimmung wurde die Entlastung des Haushalts der EFSA verweigert. Die EU-Kommission muss nun endlich die Unabhängigkeit dieser für die Lebensmittelsicherheit so zentralen Behörde konsequent sicherstellen. Damit das geschieht, ist weiterhin Druck aus der Zivilgesellschaft notwendig. Tatsächlich schlug die Kommission erst kürzlich vor, eine Ex-Mitarbeiterin von Monsanto und Lobbyistin beim Industrieverband FoodDrinkEurope in den EFSA-Verwaltungsrat zu berufen. So geht das nicht, liebe Kommission!

Der Politikwissenschaftler Timo Lange arbeitet bei der Initiative LobbyControl mit dem Schwerpunkt EU.

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