Großrazzia gegen Salafisten

Bundesinnenminister verbietet islamistischen Verein Millatu Ibrahim

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein gewaltiges Aufgeboten von Polizisten durchsuchte am Donnerstag Wohnungen und Vereinsräume von Salafisten. Die Ausbeute war mager.

Die deutschen Innenminister machen ernst: Vor 14 Tagen hatten sie auf ihrer gemeinsamen Konferenz angekündigt, verstärkt gegen islamistische Salafisten-Gruppen vorgehen zu wollen. Am Donnerstag erfolgte der von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) als »äußerst erfolgreich« bezeichnete Schlag gegen die mittelalterliche und teilweise auch gewaltbereite Sekte. Insgesamt 850 Polizisten waren in sieben Bundesländern an den Razzien beteiligt. Dabei durchsuchten sie etwa 80 Objekte. Schwerpunkte der Aktionen bildeten Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Der Bundesinnenminister verfügte zudem ein Verbot der salafistischen Gruppe Millatu Ibrahim in Solingen, weil sie sich gegen »die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung« richte. Nach Angaben des Innenministers soll die Gruppe die gewaltsamen Ausschreitungen Anfang Mai in Solingen und Bonn in »Kampfvideos« legitimiert und zu weiteren Gewalttaten aufgerufen haben. Bei den Auseinandersetzungen in Bonn waren 29 Polizisten von Salafisten zum Teil schwer verletzt worden. Die zum Verein gehörende Moschee in der Solinger Innenstadt gilt als Treffpunkt radikaler Muslime aus dem gesamten Bundesgebiet. Hier sollen auch Kämpfer für den bewaffneten Djihad im Ausland angeworben worden sein.

Friedrich leitete auch »vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren« gegen zwei weitere Salafisten-Gruppen ein: »Die wahre Religion« des Kölner Predigers Ibrahim Abou Nagie und die Gruppe Dawa FFM in Frankfurt am Main. Vor allem Ibrahim Abou Nagie hatte in letzter Zeit von sich Reden gemacht. Der Geschäftsmann zählt zu den Organisatoren der Verteilaktionen von Koranen in deutschen Innenstädten.

Trotz des Großeinsatzes blieb die Ausbeute am Donnerstag dürftig: So wurde in einer Moschee in Solingen ein Mann gefasst, der mit einem internationalen Haftbefehl aus Großbritannien gesucht wurde. Ansonsten gab es den Angaben zufolge keine Festnahmen. Einen Knaller konnte man schließlich doch noch präsentieren: den Fund einer »Sprengstoffweste«. Allerdings geht aus der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums gegen Millatu Ibrahim hervor, dass die Weste bereits am 15. Mai bei einem Berliner Islamisten-Rapper beschlagnahmt wurde, der dem Verein zugerechnet wird. Die Weste des als »Deso Dogg« bekannten Ex-Musikers entpuppte sich schon am 15. Mai als Attrappe. Die Nachricht vom Sprengstoffwestenfund machte gestern trotzdem die Runde.

Doch wie gefährlich sind die Salafisten wirklich? Nach Angaben deutscher Sicherheitsbehörden gibt es etwa 130 islamistische Gefährder, denen Attentate zugetraut werden. Darunter sollen auch 24 Salafisten sein. Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen gibt es nicht. Und die Beamten müssten es wissen. Schließlich zeigten schon die mysteriösen Vorgänge um die sogenannte Sauerlandgruppe, die im Jahre 2007 islamistische Anschläge verüben wollte, dass die verwirrten jungen Männer die Hilfe staatlicher Organe benötigen, um Anschläge zu planen oder durchzuführen. Der einzige islamistische Anschlag auf deutschem Boden, bei dem im März 2011 zwei US-amerikanische Soldaten vor dem Frankfurter Flughafen ums Leben kamen, wurde von einem Einzeltäter durchgeführt, der keiner militanten Gruppe angehörte.


Ultrakonservative Missionare

Die deutschen Salafisten sind Vertreter einer ultrakonservativen Strömung innerhalb des Islams. Ihr Name leitet sich vom arabischen Wort für Vorgänger (salaf) her. Sie beziehen sich damit auf die Frühzeit des Islams, genauer gesagt die »ehrwürdigen, rechtschaffenen Vorfahren«. Gemeint sind die vier ersten Nachfolger (Kalifen) des 632 gestorbenen Religionsgründers Mohammed. Deshalb propagieren die Salafisten eine Rückbesinnung auf Sitten und Gebräuche des 7. Jahrhunderts. Das kollidiert natürlich mit den Gewohnheiten und Rechtsgrundsätzen einer postmodernen Gesellschaft.

Aller Medienhysterie zum Trotz: Die Salafisten bilden eine kleine Minderheit innerhalb der etwa vier Millionen Muslime in Deutschland. Ihre Zahl schwankt zwischen 3000 bis 5000 - darunter viele Konvertiten. Salafisten sind besonders eifrige Missionare, die den Da'wa (Ruf zum Islam) auch in deutschen Fußgängerzonen verbreiten. fal

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.