Bestrafter Humanismus?

Ailí Labañino ist die Tochter eines der in den USA inhaftierten »Cuban Five«

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Ihr Vater Ramón Labañino gehört zu den fünf Männern, die in den USA wegen der Infiltrierung gewaltbereiter Exilgruppen inhaftiert sind. Was bedeutet das für Sie als Tochter?
Labañino: Als mein Vater und die anderen 1998 inhaftiert wurden, bekamen wir davon zunächst gar nichts mit. Wir Kinder dachten, er arbeite in Spanien. Eine Woche bevor der Fall 2001 publik gemacht wurde kam eine Psychologin zu uns nach Hause und wir erfuhren die wahre Geschichte. Ich war damals 13 Jahre alt und natürlich brach für mich eine Welt zusammen.

Es war ein harter Wechsel: So lange hatte ich nichts von meinem Vater gehört und auf einmal war er überall, in den Medien, im Fernsehen.

Zwei Jahre später haben Sie ihn das erste Mal wiedergesehen, bei einem Besuch im Gefängnis in den USA ...
Ich reiste in Begleitung meiner beiden kleinen Schwestern. Wir hatten unseren Vater fünf Jahre lang nicht gesehen. Ich weiß nicht warum, aber ich dachte, wir würden einen Mann in gestreifter Häftlingsuniform treffen. Dann ging die Tür auf und er trug eine khakifarbene Uniform und lächelte. Für uns Kinder war das Treffen schön, aber auch schwer. Meine Schwestern wollten seinen Bart anfassen und seine Haare kämmen. Aber jeder Körperkontakt war uns verboten. Wir waren umringt von Kameras und Wachleuten und mussten an unseren Seiten des Tisches sitzen bleiben. Mein Vater versuchte, uns die Situation zu erleichtern. Er sagte, wir sollten das ganze Ambiente vergessen und uns vorstellen, wir säßen in unserem Wohnzimmer zu Hause.

Ihr Vater und seine Mitstreiter haben in den USA Exilgruppen überwacht, die bei ihrem Kampf immer wieder auch Gewalt angewendet haben. Wie beurteilen Sie die Tätigkeit der »Cuban Five« heute?
Seit dem Sieg der Revolution 1959 sind über 3000 Menschen in Kuba durch Terroranschläge ums Leben gekommen. Ihre Angehörigen und Familien haben großes Leid erfahren. Dagegen richtete sich der Einsatz meines Vaters und der »Cuban Five«. Dahinter steht eine sehr selbstlose Haltung. Sie dachten nicht an sich, sondern an die anderen.

Vor allem aus den USA und Europa wird Kuba aber immer wieder wegen der Verletzung von Menschenrechten angeklagt. Wie nehmen Sie diese Debatte wahr?
Kuba leidet seit so vielen Jahren unter einer Blockade der USA. Dennoch wird die Sozialpolitik aufrechterhalten. Ich konnte unentgeltlich studieren, und sollte ich krank werden, kann ich mit einer kostenfreien Behandlung rechnen. In anderen Staaten müssen sich Familien für die Bildung ihrer Kinder verschulden oder wissen nicht, wie sie den Arzt bezahlen sollen. Diese Sorgen haben wir nicht. Über welche Menschenrechte reden wir also?

Während Kuba kritisiert wird, helfen kubanische Ärzte in Afrika, Lateinamerika und anderen Regionen. Die Haltung hat Fidel Castro einmal so formuliert: »Wir geben nicht nur das, was wir übrig haben, sondern wir teilen, was wir haben«. Das ist der Humanismus, der unsere Gesellschaft prägt.

Fragen: Harald Neuber

Ailí Labañino nimmt am heutigen Freitag um 19 Uhr beim »Fest der Linken« in Berlin an der Debatte »50 Jahre Blockade - Menschenrechte als Spielball der Herrschenden« teil.

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